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AHO Aktuell - 15.10.2001

FAO-Weltbericht: Die Tragödie des Hungers hält an


Berlin (FAO) - Die Zahl der Hungernden sinkt weltweit langsamer als bisher
angenommen. Dies geht aus dem neuen "Weltbericht zu Hunger und
Unterernährung 2001" hervor, den die Ernährungs- und
Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) heute in Berlin aus
Anlass des Welternährungstages (16. Oktober) vorgestellt hat.

Die Zahl der Hungernden in den Entwicklungsländern stagniert bei insgesamt
777 Millionen Menschen; in den westlichen Industriestaaten sind es 11
Millionen und in Osteuropa und den Transformationsstaaten der ehemaligen
Sowjetunion 27 Millionen. Weltweit sind insgesamt 815 Millionen Menschen
chronisch unterernährt.

In den 90er Jahren ist die Zahl der Unterernährten in den Entwicklungsländern
um insgesamt rund 40 Millionen Menschen gesunken, jährlich waren es im
Schnitt nur sechs Millionen Hungernde weniger. Bislang war die FAO davon
ausgegangen, dass die Zahl der Unterernährten in der Dritten Welt im
vergangenen Jahrzehnt um 8 Millionen pro Jahr zurückging.

In weite Ferne rückt damit die beim Welternährungsgipfel 1996 in Rom gemachte
Verpflichtung der Staaten, die Zahl der Hungernden bis zum Jahre 2015 zu
halbieren. "Wird der Hunger nicht entschiedener bekämpft als bisher, wird es
mehr als 60 Jahre dauern, bis die Verpflichtung von 1996 erreicht ist, die
Zahl der Unterernährten auf 400 Millionen zu halbieren", hiess es in dem
FAO-Bericht.

"In den Entwicklungsländern leben rund 70 Prozent der Armen in ländlichen
Gebieten", sagte Josef Schmidhuber von der FAO-Abteilung für Globale Studien.
"Sie sind zum Überleben auf die Landwirtschaft angewiesen: für Nahrung,
Einkommen und Arbeitsplätze. Leider investieren die Länder, die am stärksten
von der Landwirtschaft abhängig sind, am geringsten in ihren Agrarsektor. In
einigen der ärmsten Länder steigen zwar die Militärausgaben, aber nicht die
Mittel für die Landwirtschaft. Die Staaten hingegen, die ihren Agrarsektor
fördern, haben es meistens auch geschafft, den Hunger zu reduzieren."


"Zu kritisieren ist auch, dass die öffentliche Entwicklungshilfe die
Landwirtschaft in den armen Ländern viel zu wenig unterstützt. Der Anteil der
Landwirtschaft an der Entwicklungshilfe geht leider weiter zurück, was zum
Stillstand beim Kampf gegen den Hunger beiträgt. Auch die privaten
Investitionen fliessen offenbar am Agrarsektor vorbei. Dabei reichen oft nur
relativ geringe Investitionen aus, um die Produktivität von Kleinbauern zu
steigern," sagte Schmidhuber.

In der Mehrzahl der Entwicklungsländer ist die absolute Zahl der
Unterernährten in den vergangenen Jahren weiter angestiegen, nur wenige
Länder haben Fortschritte im Kampf gegen den Hunger vorzuweisen, betonte die
FAO. In 93 von 125 Entwicklungsländern sind im Schnitt noch immer rund fünf
Prozent der Bevölkerung unterernährt - ein deutlicher Hinweis darauf, dass es
in vielen Ländern weiterhin einen hohen Sockel an Hunger und Unterernährung
gibt.

Der FAO-Bericht listet erstmals die zehn "Gewinner" und "Verlierer" im Kampf
gegen den Hunger auf. Zu den Staaten, denen es gelungen ist, den Anteil der
Unterernährten zwischen 1990-92 und 1997-99 um jährlich mehr als einen
Prozentpunkt zu verringern, gehören Peru, Tschad, Ghana, Kuwait, Mosambik,
Malawi, Angola, Sudan, Togo und Thailand. (Im Fall Sudan ist die gegenwärtige
Dürre allerdings nicht berücksichtigt). Zu den "Verlierern" dagegen zählen
die Demokratische Republik Kongo, Nordkorea, Burundi, Tansania, Kuba,
Venezuela, Somalia, die Mongolei, Guatemala und Irak.

Die beiden Extreme markieren China und die Demokratische Republik Kongo,
gemessen in absoluten Zahlen. So erzielte China in den vergangenen zehn
Jahren ein beachtliches Wirtschaftswachstum und konnte die Zahl der
Unterernährten um 76 Millionen verringern. China ist nach Indien aufgrund
seiner hohen Bevölkerung aber immer noch das Land mit der zweitgrössten Zahl
der Unterernährten. Am Ende der Skala steht die Demokratische Republik Kongo,
ein vom Bürgerkrieg zerstörtes, reiches Land, in dem der Anteil der
Unterernährten von 35 Prozent Anfang der 90er Jahre auf inzwischen 64 Prozent
gestiegen ist.

Im Fall von Nordkorea, Afghanistan und Irak zeigt sich ausserdem, wie sehr
Bürgerkriege und politisch-ökonomische Krisen zum Hungerelend beitragen.
Zwischen Oktober 1999 und Juni 2001 herrschten in 14 Entwicklungsländern
Bürgerkriege.

Im gleichen Zeitraum litten 22 Staaten unter Dürre, 17 Länder wurden von
Überschwemmungen und Wirbelstürmen heimgesucht, in zwei Ländern verursachten
Erdbeben grosse Schäden und in 3 Staaten litten die Menschen unter extrem
harten Wintern. "Diese Ereignisse treffen oft die Ärmsten der Armen und
verschlimmern das Ausmass von Hunger und Unterernährung zusätzlich," sagte
FAO-Mitarbeiter Josef Schmidhuber. "Sollte es stimmen, dass aufgrund des
Klimawandels die Naturkatastrophen zunehmen, muss den betroffenen Ländern
stärker als bisher bei der Vorsorge geholfen werden."

Die sich weiter ausbreitende HIV/AIDS-Epidemie wird das Hungerproblem in
vielen Entwicklungsländern weiter verschärfen, betonte Schmidhuber. Rund 36
Millionen Menschen sind derzeit HIV-infiziert, davon 95 Prozent in den
Entwicklungsländern. Die Zahl der Neuinfizierten betrug im Jahr 2000 rund 5,3
Millionen Menschen, rund 3 Millionen Menschen starben an AIDS. In Afrika
südlich der Sahara allein leben mehr als 25 Millionen Aidsinfizierte.

Die FAO schätzt, dass der Seuche seit 1985 in Afrika bereits 7 Millionen
Arbeitskräfte in der Landwirtschaft zum Opfer gefallen sind. In den kommenden
20 Jahren wird mit weiteren 16 Millionen Toten unter den landwirtschaftlichen
Arbeitskräften gerechnet. In vielen Fällen sterben oft als erstes die Eltern
und die Kinder müssen die Arbeit auf der Farm übernehmen. Viele Haushalte
können kaum die notwendige Medizin bezahlen oder die Beerdigungskosten
tragen, was viele Familien in die Verschuldung treibt. Besonders die
Unterernährten sind aufgrund ihrer körperlichen Schwäche anfällig für die
Krankheit.

"Wie die Beispiele Ugandas und Thailands zeigen, lässt sich die Seuche
durchaus erfolgreich bekämpfen," betonte Schmidhuber. Es müsse auf allen
Ebenen Aufklärung betrieben und Unterstützung geleistet werden. Agrar- und
Entwicklungsprojekte müssten dazu beitragen, die Folgen der Krankheit für
Gesundheit Ernährung, und die Erzeugung von Nahrung zu mildern.

Mangelndes oder schlechtes Trinkwasser ist in vielen Entwicklungsländern die
Ursache für Krankheiten und verschärft Unterernährung, so der FAO-Bericht.
Rund 1,1 Milliarden Menschen, ein Sechstel der Weltbevölkerung, haben keinen
Zugang zu sauberem Trinkwasser. Rund drei Millionen Menschen sterben jährlich
an Durchfall, dessen bakterielle Quelle meistens verschmutztes Trinkwasser
ist. Unter den Opfern sind vor allem Kinder. Brunnen für sauberes Trinkwasser
sowie Sanitäreinrichtungen zu schaffen sei ein direkter Beitrag zur
Ernährungssicherheit in den ländlichen Gebieten, betonte die FAO.

"Die gegenwärtigen Probleme sind besonders enttäuschend, wenn man bedenkt,
dass in den letzten 30 Jahren bei der Bekämpfung des Hungers durchaus
beachtliche Fortschritte erzielt worden sind", sagte Schmidhuber. "So ist
beispielsweise die Nahrungsmittelproduktion schneller gestiegen als das
Bevölkerungswachstum. Im Schnitt gab es für jeden Menschen auf der Erde im
Zeitraum 1969-71 täglich rund 2410 Kilokalorien (kcal), dagegen waren es
1997-99 2800 kcal. In den Entwicklungsländern stieg das Kalorienangebot im
gleichen Zeitraum von 2110 auf 2680 kcal. Dies hat dazu beigetragen, den
Anteil der Unterernährten an der Bevölkerung in den Entwicklungsländern von
37 Prozent (1969-71) auf 17 Prozent (1997-99) zu verringern."

"Das Recht auf Nahrung zu verwirklichen ist nicht nur moralisch geboten.
Eine ausreichende Ernährung ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass
Menschen produktiv arbeiten, dass Kinder konzentriert lernen können und
widerstandsfähig gegen Krankheiten bleiben. Wenn es gelingt, das
Hungerprobelm in den Griff zu bekommen, wird es auch weniger Arme geben",
sagte Schmidhuber. Daher plädiert die FAO dafür, die Bekämpfung des Hungers
an den Anfang aller Entwicklungsanstrengungen zu stellen. Dazu müssten auf
höchster Ebene der politische Wille und die entsprechenden Ressourcen
mobilisiert werden.

Die FAO hat deshalb die Staats- und Regierungschefs zum
"Welternährungsgipfel: fünf Jahre später" (5.-9. November 2001) nach
Rom/Italien eingeladen, um Bilanz zu ziehen und neue Initiativen zur
Bekämpfung des Hungers zu starten.
 



 

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