Aktuelle Meldungen  -  Nachrichten suchen  -  kostenloses Abo  -   Nachricht weiterempfehlen

 

AHO Aktuell - 09.10.2001

BWV warnt vor Umsetzung der neuen EU-Schweinehaltungsverordnung


Mainz (bwv) - Mit seiner Entscheidung über die Schweinehaltungsrichtlinie hat
der EU-Agrarrat am 19. Juni eine Reihe von Veränderungen für die Schweine-
haltung beschlossen. Bis zum 1. Januar 2003 ist die Richtlinie in nationales
Recht umzusetzen. Seitdem prüft das Bundesministerium für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft, wie die Umsetzung der Richtlinie erfolgt
beziehungsweise in welchen Bereichen über die Mindestanforderungen der
Richtlinie hinausgegangen werden soll. In diesem Zusammenhang warnt der
Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, Norbert
Schindler, sowie die Fachexperten des Verbandes vor einer vollständigen
Übernahme der EU-Ratsrichtlinie zur Änderung der Richtlinie 91/630/EWG über
Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen beziehungsweise den
Vorschlägen des Deutschen Tierschutzbundes. Bestimmte Forderungen wie unter
anderem der Ausstieg aus der Vollspaltenbodenhaltung beziehungsweise die
Verpflichtung, bei mindestens 60 Prozent der Bodenfläche in der Sauenhaltung
eine Planbefestigung vorzunehmen, wirke genauso stark gegen das Wohlbefinden
der Tiere wie die Forderung des Tierschutzbundes, einen Teil der Liegefläche
einzustreuen, um eventuellen Liegeschwielen vorzubeugen. Diese Forderungen
entbehrten jeglicher wissenschaftlicher und praktischer Grundlage, erklärt
Norbert Schindler. Aufgrund der technischen Problematik, welche bei dem
System der Haltung auf Gülle eineMischung mit der Misthaltung nicht unmöglich
macht, würden die Tiere allein durch Teilspaltenböden, aber erst recht bei
einer Einstreu auf der Liegefläche oder durch das geforderte Stroh als
Beschäftigungsmaterial extrem belastet. Theoretisch und praktisch sei bewiesen,
dass durch diese Maßnahmen der Stall extrem verkotet werde. Dies führe auch bei
den besten Entlüftungssytemen zu schlechter Luft, Staubbelastung und
Schadgasen.
Außerdem sei bei der höheren Verschmutzung die Trittsicherheit
gefährdet, welches zu einer höheren Verletzungshäufigkeit führe. Bei Stroh als
Beschäftigungsmaterial werde außerdem mehr Harn und Kot aufgenommen, welches
die Tiere zusätzlich durch einen höheren Parasitenbefall belaste beziehungs-
weise auch die Salmonellengefahr verstärke. Dies würde wiederum einen stärkeren
Einsatz von Antibiotika zum Schutz der Tiere fordern, womit sich die Katze
letztendlich wieder in den eigenen Schwanz beiße, fasst Schindler zusammen.
In allen streulosen Ställen müssten und würden die Landwirte von sich aus
bereits Beschäftigungsmaterial wie Ketten, Scheuerbalken oder gummierte
Spielmaterialien bereitstellen. Dies sei sinnvoll und auch vom BWV gewollt und
werde von den Tieren gut angenommen, so Schindler. Stroh, Späne, Torf etc. als
Beschäftigungsmaterialien oder als Einstreu beim Güllesystem lehne der Verband
jedoch strikt ab. Absolut gegen die Tiere arbeite auch die Forderung, das
Absetzalter von Ferkeln auf mindestens 28 Tage zu erhöhen. Bereits nach drei
Wochen sei der Abwehrschutz des Ferkels durch die Sau aufgrund eines starken
Rückgangs der so genannten maternalen Antikörper extrem niedrig. Ein späterer
Absetzzeitpunkt der Ferkel führe somit zu einem extrem höheren Infektionsdruck
im Abferkelstall und erfordere, sofern die Ferkel überleben sollten, wiederum
einen verstärkten Antibiotikaeinsatz. Massiv sprach sich Schindler auch gegen
die durch die Bundesregierung geforderte zusätzliche Vergrößerung der Stall-
fläche gegenüber der EU-Richtlinie. Die von den EU-Experten aufgestellte
Staffelung von 0,15 bis 1 Quadratmeter bei Schweinen mit einem Lebensgewicht
von jeweils 10 bis über 100 Kilogramm, der Flächenbedarf für tragende Jungsauen
von 1,64 beziehungsweise für Sauen von 2,25 Quadratmeter je Tier ist aus Sicht
des BWV absolut ausreichend. Bundesweit seien sich auch hier die Wissenschaft-
ler darüber einig, dass dies dem optimalen Platzbedarf entspreche und größere
Flächen ebenfalls zu höherer Verschmutzung und damit zu Belastungen durch
Geruchs- und Ammoniakimmissionen führe. Durch das übliche drei- bis viermalige
Aussortieren der schwersten Schweine zum Ende der Mast sieht Schindler den
höheren Flächenbedarf durch die wachsenden Schweine ohnehin durch die Praxis
gewährleistet.

Zusammenfassend warnt Schindler die Verantwortlichen der Politik sowie
Bundeslandwirtschaftsministerin Künast davor, mit der Umsetzung der Richt-
linie alle technischen und der tierischen und menschlichen Gesundheit
dienenden Innovationen über Bord zu werfen und zurück ins Mittelalter zu
kehren. Jedes zu scharfe Drehen an dem Rädchen der Mindestanforderungen
beziehungsweise den Überschreitungen davon führe dazu, dass immer mehr
deutsche Familienbetriebe ihre Fleischproduktion aufgeben müssten und wir
die Lebensmittelproduktion sowie die Überwachung damit vermehrt aus den
Händen geben müssten. "Wozu dass führt, haben wir seit der BSE-Krise mehr
als zu spüren bekommen", so Schindler.


Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd e.V.
An der Brunnenstube 33-35
55120 Mainz
Tel.: 06131-62050
Fax: 06131-620544
 



 

  zum Seitenbeginn


© Copyright

AHO Aktuell ist ein Service von ANIMAL-HEALTH-ONLINE und @grar.de