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AHO Aktuell - 19.09.2001

"Weißer Punkt" heißt "ungenießbar"


(Uni Bonn) - "Gekühlt mindestens haltbar bis - siehe Bodenprägung." Wer kennt
sie nicht, die Mindesthaltbarkeitsangaben, die mehr oder weniger versteckt auf
abgepacktem Frischfleisch oder eingeschweißten Wurstwaren prangen. Und dennoch
zeigt das Fleisch manchmal Farb- und Geruchsabweichungen, auch wenn es laut
Aufdruck noch in Ordnung sein müsste. Grund: Das Datum verrät nur die Haltbar-
keit unter den angegebenen Lagerbedingungen - wenn die Kühlkette unterbrochen
wird, machen sich schädliche Bakterien mitunter schon viel früher breit.
Wissenschaftler der Universität Bonn sind an der Entwicklung eines Indikators
beteiligt, der genau anzeigen soll, wie frisch beispielsweise das Schweine-
fleisch in der Kühltheke noch ist. Eine Entfärbung des Indikators zeigt an,
dass das Fleisch möglicherweise verdorben ist.

Appetitlich sieht das rohe Schweinefleisch nicht mehr aus, das in den Brut-
schränken des Instituts für Tierhygiene seit Tagen bei 20 Grad Celsius
langsam verdirbt. Salmonellen, Pseudomonaden und Enterobakterien haben von
dem saftigen Filetstück Besitz ergriffen und vermehren sich munter - und das
alles im Dienste der Wissenschaft.

Die Lebensmitteltechnologin Judith Kreyenschmidt untersucht hier, wie lange
Fleisch bei verschiedenen Temperaturen genießbar bleibt. Alle vier Stunden
entnimmt sie aus dem 20 Grad warmen Brutschrank Proben, die sie mit steriler
Kochsalzlösung übergießt, maschinell zerkleinert und schließlich auf ihre
Bakterienbelastung sowie verschiedene biochemische und sensorische Parameter
bestimmt. Eine aufwendige Prozedur, die die Mitarbeiter des Instituts für
Tierhygiene unter Leitung von Prof. Dr. Brigitte Petersen auch nachts und
an den Wochenenden beschäftigt.

Die gewonnen Daten zum Fleischverderb dienen als Grundlage für die Weiter-
entwicklung eines Zeit-Temperatur-Indikators. Dieser soll als Zusatzinfor-
mation auf sogenannten "Intelligenten Verpackungen" dem Verbraucher über
die Einhaltung der Kühlkette bei Transport und Lagerung von Fleischwaren
Aufschluss geben. Bei dem von der Uni Bayreuth entwickelten Frischeindi-
kator handelt es sich um einen auf Filterpapier aufgebrachten Farbstoff,
der unter UV-Bestrahlung blau wird und sich dann zeit- und temperaturab-
hängig wieder entfärbt. Der Clou dabei: Die Entfärbung erfolgt innerhalb
einer ähnlichen Zeitspanne, in der auch Fleisch verdirbt: je wärmer, desto
schneller.

"Wir möchten hier herausfinden, wie schnell Geflügel oder Schweinefleisch
bei verschiedenen Temperaturen verdirbt", erklärt die Tiermedizinerin Dr.
Susanne Knura-Deszczka. "Das Institut in Bayreuth untersucht gleichzeitig,
wie schnell sich der Zeit-Temperatur-Indikator bei diesen Temperaturen
entfärbt." Im Idealfall ergibt sich daraus eine Aussage wie "ich muss den
Indikator zwei Sekunden mit UV-Licht bestrahlen, damit er genau dann wieder
entfärbt ist, wenn das Schweinefleisch nicht mehr für den Verzehr geeignet
ist."

In der Herstellung kosten die Indikatoren nur wenige Pfennige. Das
"Aufladen" mit Hilfe einer UV-Lampe ließe sich bei der Verpackung der Ware
gleich mit erledigen. Der Kunde an der Kühltheke kann dann an der Farbe des
Punktes direkt erkennen, wie frisch das Fleisch noch ist.

Sogenannte Zeit-Temperatur-Indikatoren sind übrigens bereits auf dem Markt.
Die bisherigen Produkte haben aber verschiedene Nachteile: Sie müssen vor
der Aktivierung bei sehr niedrigen Temperaturen gelagert werden oder sind
für die Lebensmittelbranche mit ihren geringen Gewinnmargen einfach zu
teuer. Der "blaue Punkt" der Arbeitsgruppe Bonn-Bayreuth hat daher gute
Marktchancen - zumindest, wenn er sich auch in der Praxis bewährt. Ende
nächsten Jahres sollen die ersten Praxistests anlaufen.

Weitere Informationen: Prof. Dr. Brigitte Petersen, Institut für Tierhygiene,
Abteilung Präventive Gesundheitskontrolle, Tel.: 0228/73-2821,
Fax: 0228/73-7938, E-Mail: b-petersen@uni-bonn.de,
oder Judith Kreyenschmidt, Tel.: 0228/73-3886,
bzw. Dr. Susanne Knura-Deszczka, Tel.: 0228/73-2057
 



 

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