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AHO Aktuell - 17.08.2001

DFG untersucht Probiotika für Schweine


(idw) - Wer kennt sie nicht: Probiotika und links- oder rechtsdrehende
Milchsäuren? Heutzutage sind Hinweise auf probiotische Bakterienkulturen
auf Milchprodukten im Kühlregal kaum mehr wegzudenken. Die positive
Wirkung dieser Mikroorganismen auf den menschlichen Organismus wird als
längst bewiesen betrachtet. Aber sind Probiotika genauso gesund für die
Tierwelt? Können sie etwa eine Alternative zur Verabreichung von
Antibiotika im Futter sein und über die Beeinflussung der Darmflora die
Gesundheit von Schweinen, Kälbern und Geflügel fördern und damit die
Verwendung von Antibiotika reduzieren? Mit diesen Fragen beschäftigt
sich für die nächsten drei Jahre ein Team von Wissenschaftlern am
Fachbereich Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin. Das von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) als Forschergruppe geförderte
Projekt Integrative Analyse der Wirkungsmechanismen von Probiotika beim
Schwein vereint Wissenschaftler aus fünf Fachgebieten der
Veterinärmedizin, so dass eine umfangreiche und interdisziplinäre
Analyse gewährleistet ist. Geleitet wird die DFG-Forschergruppe von
Prof. Dr. Ortwin Simon vom Institut für Tierernährung.


Das Probiotikakonzept ist annähernd hundert Jahre alt und geht auf den
Nobelpreisträger Elie Metschnikoff zurück, der nach einer Erklärung für
die auffällig hohe Lebenserwartung einer Bevölkerungsgruppe in Bulgarien
gesucht hat. Als Besonderheit stellte er in der Ernährungsweise einen
hohen Konsum an fermentierten Milchprodukten fest. Auf dieser Basis
begründete er seine These, dass die in Joghurt enthaltenen Bakterien in
der Lage sind, Fäulnisprozesse im Darm zu unterdrücken und einer
Arteriosklerose entgegen zu wirken.

Im Bereich der Lebensmittelforschung wurde mit Hilfe dieser Theorie das
Probiotikakonzept entwickelt. Ob dieses Konzept auch in der
Tierernährung anzuwenden sei, wurde in den beiden vergangenen
Jahrzehnten untersucht. Am Fachbereich Veterinärmedizin der Freien
Universität Berlin werden bereits seit mehreren Jahren
Forschungsarbeiten über Probiotika durchgeführt. Wesentlicher Befund
dieser Untersuchungen ist die beobachtete Hemmung des Wachstums von
Enterobakterien im Verdauungstrakt von Ferkeln sowie weitere
Veränderungen in der mikrobiellen Besiedlung. Aber auch für Geflügel und
Kälber ist in der überwiegenden Zahl von Untersuchungen die Wirksamkeit
dieser Zusatzstoffe gezeigt worden. Trotzdem liegt ein gesichertes
Wissen über die Wirkungsweise von Probiotika bislang noch nicht vor.

Dieser Unsicherheit will die Forschergruppe nun entgegenwirken. Sie hat
deshalb das Konzept für ein interdisziplinäres Forschungsprojekt
Integrative Analyse der Wirkungsmechanismen von Probiotika beim Schwein
erarbeitet und im Juli 2001 vom Hauptausschuss der DFG die Zustimmung
zur Einrichtung einer Forschergruppe erhalten. Das Projekt besteht aus
fünf Teilen, die den fünf Fachgebieten der Antragsteller zuzuordnen
sind. In allen Teildisziplinen ist der Einsatz modernster
Analysentechniken vorgesehen. Der Forschergruppe gehören an: Prof.
Ortwin Simon (Sprecher der Forschergruppe) und Dr. Wilfried Vahjen
(beide Institut für Tierernährung), Prof. Karl Dietrich Weyrauch
(Institut für Veterinär-Anatomie), Prof. Holger Martens (Institut für
Veterinär-Physiologie), Prof. Lothar H. Wieler (Institut für
Mikrobiologie und Tierseuchen) und Prof. Michael F. G. Schmidt (Institut
für Immunologie und Molekularbiologie).

Mit der Bewilligung durch die DFG steht der Forschergruppe eine gute
personelle und finanzielle Ausstattung zur Umsetzung des Vorhabens für
zunächst drei Jahre zur Verfügung. Darüber hinaus hat die Leitung der
Freien Universität notwendige Ergänzungen der Grundausstattung für die
Forschergruppe zugesichert und damit wesentlich zur Befürwortung des
Antrages beigetragen.
Die Arbeiten am Institut für Tierernährung der Freien Universität haben
zu der Erkenntnis geführt, dass die Wirkungsmechanismen der Probiotika
wesentlich komplexer sind als ursprünglich angenommen und dass sie mit
klassischen Methoden der Tierernährung und der Mikrobiologie nicht
erforscht werden können. Es ergab sich also die Notwendigkeit, mit neuen
Methoden die Darmflora und deren Wechselwirkung mit der Darmschleimhaut
besser zu erforschen. Auch verschiedene Befunde aus der Anatomie und
Immunologie weisen auf morphologische, histologische und funktionelle
Veränderungen der Darmschleimhaut sowie des Immunsystems hin. Demnach
kann die Forschungsproblematik nur interdisziplinär erfolgreich
bearbeitet werden.

Die bisherige Forschung zu den Wirkungsmechanismen von Probiotika
konzentriert sich auf Lactobacillus-Arten, die zwar in der
Humanernährung eine herausragende, dagegen aber in der Tierernährung nur
eine untergeordnete Rolle spielen. Daher sind Ergebnisse aus der
Probiotikaforschung im Humanbereich nur bedingt auf die Tierernährung
übertragbar. Bei den probiotischen Keimen, die als Futterzusatzstoffe
vorläufig zugelassen sind, handelt es sich um Arten der
Bakteriengattungen Enterococcus (natürliches Vorkommen im
Verdauungstrakt) bzw. Bacillus (natürliches Vorkommen im Boden) und um
Stämme der Hefe Saccharomyces cerevisiae (natüliches Vorkommen auf z.B.
Früchten), die auch als Brau-, Brenn- und Backhefe verwendet wird. Im
Verlauf des Projektes sollen exemplarisch Vertreter dieser drei
Mikroorganismengruppen untersucht werden, wobei auf Grund der
Verschiedenartigkeit dieser Organismen auch unterschiedliche
Wirkungsmechanismen erwartet werden.

Bei der praktische Anwendung von Probiotika als Futterzusatzstoff hat
der Verbraucherschutz Priorität. Die Zulassung von Mikroorganismen wird
von der Europäischen Kommission geregelt. Neben dem Nachweis der
Wirksamkeit müssen auch Nachweise für die Sicherheit erbracht werden.
Probiotika dürfen die Gesundheit des Wirtes und der Personen, die mit
dem Präparat umgehen, nicht beeinträchtigen. Sie müssen apathogen sein,
das heißt, sie dürfen keine Krankheiten hervorrufen, und sie dürfen
keine Toxine produzieren. Ferner dürfen sie nicht invasiv sein. Eine
Förderung der Resistenzausbildung von Mikroorganismen gegenüber
Antibiotika durch den Einsatz von Probiotika ist ebenfalls
auszuschließen. Erst wenn all diese Tests positiv verlaufen sind,
erhalten Probiotikapräparate eine definitive Zulassung als
Futterzusatzstoff. Tiefgründige Kenntnisse über die Wirkungsmechanismen
werden weiter zur Verbrauchersicherheit beitragen.

Weitere Informationen erteilen Ihnen gern:
Prof. Dr. Ortwin Simon, Institut für Tierernährung der Freien
Universität Berlin, Brümmerstr. 34, 14195 Berlin, Tel.: 030 / 838-52256,
E-Mail: osimon@zedat.fu-berlin.de
Dr. Wilfried Vahjen, Institut für Tierernährung der Freien Universität
Berlin, Brümmerstr. 34, 14195 Berlin, Tel.: 030 / 838-55583, E-Mail:
vahjen@zedat.fu-berlin.de


Informationsdienst Wissenschaft (idw) - Pressemitteilung
Freie Universität Berlin, 17.08.2001
 



 

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