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AHO Aktuell - 10.08.2001

Noch keine Entwarnung bei BSE


(bml) - Derzeit sind 97 BSE-Fälle amtlich bestätigt, mit dem 100. Fall
ist in Kürze zu rechnen. "Die Bundesregierung hat alles nach dem der-
zeitigen Wissensstand Mögliche getan, um BSE einzudämmen. In Deutschland
wird jedes geschlachtete Rind, das älter ist als 24 Monate, auf BSE
getestet. Die Tiermehlverfütterung ist generell verboten, Risikomaterial
wird entfernt und wir haben ein umfassendes Forschungskonzept auf den Weg
gebracht. Dieses Konzept der Risikominimierung verfolgen wir konsequent
weiter, denn über BSE wissen wir immer noch viel zu wenig. Weil wir
umfangreiche Vorkehrungen getroffen haben, ist der Verzehr von Rindfleisch
heute so sicher wie schon lange nicht mehr. Dies sehen auch die
Verbraucherinnen und Verbraucher so. Die Nachfrage nach Rindfleisch hat
wieder zugenommen", so der Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium
Alexander Müller.

Seit Bestätigung des ersten BSE-Falls eines in Deutschland geborenen
Rindes am 26. November 2000 wurden in Deutschland über 1,4 Millionen
BSE-Schnelltests an Schlachttieren durchgeführt. Die meisten der
bisherigen BSE-Fälle wurden allerdings durch ein spezielles
Überwachungsprogramm des Bundesverbraucherministeriums bei solchen
Tieren gefunden, die verendet waren, not- oder krankgeschlachtet
wurden oder klinische Erscheinungen aufwiesen. Diese Tiere wären
ohnehin nicht als Lebensmittel freigegeben worden. Lediglich 30 der
bisherigen 97 BSE-Fälle wurden bei Rindern entdeckt, die im Rahmen
der amtlichen Fleischuntersuchung mit BSE-Schnelltests untersucht
wurden.

Im Einzelnen wurde zur Risikominimierung Folgendes in die Wege geleitet:

BSE-Tests:

Alle über 24 Monate alten Rinder werden nach der Schlachtung mit einem
Schnelltest auf BSE untersucht. Der Schlachtkörper wird erst zur
Schlachtung freigegeben, wenn das Testergebnis vorliegt. Damit geht
Deutschland über die EU-weit vorgeschriebenen Tests ab 30 Monaten hinaus.
Auch bei den Tests von Tieren, die nicht für den menschlichen Verzehr
bestimmt sind, setzt die Bundesregierung höhere Standards. So werden
sämtliche erkrankten oder notgeschlachteten Tiere über 24 Monate im
Rahmen des Überwachungsprogramms auf BSE getestet, während EU-weit
lediglich Stichproben vorgeschrieben sind.

Verbesserung der BSE-Tests:

Neue Testverfahren, insbesondere zum Test am lebenden Tier und an
jüngeren Tieren, sollen so schnell wie möglich entwickelt werden.
Dies ist eines der Ziele des neuen TSE-Forschungskonzepts der
Bundesregierung. Das Konzept sieht den deutlichen Ausbau der Forschung
an übertragbaren schwammartigen Hirnerkrankungen (TSE) vor, zu denen
BSE gehört. Die Bundesregierung stellt hierfür jährlich bis zu 27
Millionen Mark zur Verfügung.

Entfernung von Risikomaterial:

Bei der Schlachtung werden die Risikomaterialien, wie Hirn und
Rückenmark, entfernt und durch Verbrennen unschädlich beseitigt.
Außerdem ist seit dem 1. April 2001 die Verwendung von Rinder-
Separatorenfleisch EU-weit in Nahrungsmitteln verboten.

Ursachenforschung:

Im Rahmen des TSE-Forschungskonzepts wird intensiv nach den Ursachen,
den Übertragungswegen und Bekämpfungsmöglichkeiten geforscht. Eine
TSE-Forschungsplattform wurde eingerichtet, die einen intensiven
Informationstransfer ermöglicht. Hierzu gehört auch der Aufbau des
Instituts für neue und neuartige Tierseuchenerreger an der Bundes-
forschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere (BFAV) auf der Insel
Riems. Damit wird das bisherige Referenzlabor für BSE- und Scrapie-
Diagnostik zu einem nationalen TSE-Forschungszentrum ausgebaut. Hier
sollen demnächst auch erstmals in Deutschland BSE-Infektionsversuche
durchgeführt werden, von denen man sich neue Erkenntnisse über
Entstehung und Ausbreitung dieser Krankheit im Körper verspricht.

Das Institut für Epidemiologie der BFAV in Wusterhausen arbeitet an
einer epidemiologischen Auswertung der bisherigen BSE-Fälle. Hiervon
erwartet man Aussagen über mögliche Ursachen und Verbreitungswege der
Krankheit in Deutschland. Daraus lassen sich eventuell auch Erklärungen
für die Häufung der BSE-Fälle in bestimmten Regionen, wie in Bayern,
ableiten.

Darüber hinaus sollen auch Risiken analysiert werden, die möglicherweise
von anderen Tierarten ausgehen. Im Bundesverbraucherministerium wird
eine Verordnung vorbereitet, die eine Untersuchung bei Schalenwild,
außer Schwarzwild vorsieht. Dazu zählen Rot-, Reh-, Dam-, Muffel-, und
Gamswild. Eine wissenschaftlich begründete Stichprobenauswahl soll
klären, inwieweit die Wildbestände von BSE betroffen sind. Diese
Untersuchung wird für notwendig erachtet, da nicht ausgeschlossen werden
kann, dass die Tiere in der Vergangenheit im Rahmen der Winterfütterung
auch tiermehlhaltiges Futter erhalten haben könnten. Außerdem ist es der
Bundesregierung gelungen, dass EU-weit die Überwachung der Schafe auf
Scrapie verbessert wird. Ab dem 1. Januar 2002 läuft in der ganzen EU
ein Scrapie-Überwachungsprogramm mit Schnelltests, das ein zuverlässiges
Bild des aktuellen Scrapie-Status vermitteln soll.

Tiermehlverbot:

Durch das Verfütterungsverbotsgesetz ist seit dem 2. Dezember 2000 die
Verfütterung tierischer Proteine und von Fetten tierischer Herkunft an
lebensmittelliefernde Nutztiere verboten. Seit dem 12. April 2001 ist
das Verfüttern von Fischmehl an Nichtwiederkäuer (z.B. Geflügel, Schweine)
mit strikten Sicherheitsauflagen (Herstellung, Transport, besondere
Genehmigung für die landwirtschaftlichen Betriebe) wieder erlaubt. Mit
diesen Regelungen soll sichergestellt werden, dass die in der Vergangenheit
offensichtlich - trotz des bereits seit 1994 bestehenden Verfütterungs-
verbots für tierische Proteine an Wiederkäuer - vorgekommenen Ver-
schleppungen dieser Proteine in Rinderfutter verhindert werden.

Entsorgung der Restbestände von Tiermehl:

Die Entsorgung der noch vorhandenen Restbestände von tiermehlhaltigen
Futtermitteln liegt im Zuständigkeitsbereich der Bundesländer und der
Kommunen. Die Entsorgung der Bestände auf den landwirtschaftlichen
Betrieben dürfte inzwischen weitgehend abgeschlossen sein. Die
Bundesregierung hat die Kosten dieser Futtermittel und ihrer Entsorgung
in Höhe von rund 23 Millionen Mark vollständig übernommen. Im Juli 2001
wurden dagegen noch ca. 44.000 Tonnen tiermehlhaltiger Futtermittel bei
den Herstellern und Händlern gemeldet. "Dafür habe ich kein Verständnis.
Aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes müssen diese Bestände
umgehend entsorgt werden. Dem steht nichts entgegen. Denn für einen
eventuellen finanziellen Ausgleich der entstehenden Kosten werden Belege
der Hersteller über die Entsorgung problemlos akzeptiert", so der
Staatssekretär.

Kohortenlösung:

Eine weitere Maßnahme zur Eindämmung der Krankheit ist die Tötung der
Rinder, die mit dem befallenen Rind in Verbindung standen. Insgesamt
mussten dabei aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes bislang
rund 7.200 Rinder getötet werden. Nach mehr als 1,4 Millionen Tests gibt
es keine Hinweise darauf, dass der ganze Bestand des erkrankten Rindes
von BSE betroffen sein könnte. Hatte die Bundesregierung zunächst - im
Einvernehmen mit den Ländern - aus Gründen des vorsorgenden Verbraucher-
schutzes die Tötung des Gesamtbestandes empfohlen, so hält sie dies
aufgrund der inzwischen vorliegenden Erkenntnisse nicht mehr für
erforderlich. Die kürzlich in Kraft getretene neue BSE-Vorsorgeverordnung
ermächtigt deshalb die zuständigen Behörden in den Ländern, die Kohorten-
tötung zu veranlassen. Dann werden nur noch die Rinder getötet, die in
dem Jahr vor und nach der Geburt des kranken Rindes in dem Bestand
geboren wurden, in dem auch das kranke Tier geboren wurde (Geburtskohorte)
oder die im ersten Lebensjahr zu irgendeinem Zeitpunkt gemeinsam mit
einem kranken Rind aufgezogen wurden und möglicherweise das gleiche
Futter zu sich genommen haben, das auch das kranke Tier in seinem ersten
Lebensjahr bekommen hat (Fütterungskohorte), sowie die Nachkommen -
inklusive Eizellen und Embryonen - der erkrankten weiblichen Rinder.

Herauskaufaktion:

Deutschland beteiligt sich an einem Ankaufprogramm der Europäischen
Union für Rinder ab 30 Monate, das den wegen BSE zeitweise zusammen-
gebrochenen Rindfleischmarkt entlasten soll. Anfang des Jahres wurde
geschätzt, dass die Landwirte in Deutschland im ersten Halbjahr 2001
rund 400.000 Rinder im Rahmen dieses Programms verkaufen würden. Da
der Rindfleischmarkt sich schneller stabilisiert hat, als erwartet,
mussten im Verlauf eines ersten Ankaufprogramms vom 26.03. bis
18.05.2001 nur 89.000 Rinder aufgekauft werden. Sie wurden alle auf
BSE getestet (2 positive Befunde). Im Rahmen eines zweiten Ankauf-
programms, das eine Einlagerung oder Verwendung als humanitäre
Hilfsmaßnahme zulässt, wurden seit Ende Mai etwa 24.000 Rinder
geschlachtet und auf BSE getestet. Damit stehen für die zugesagte
Lieferung von Rindfleisch an Nordkorea zur Zeit rund 5.000 Tonnen
zur Verfügung. Das Fleisch wurde entbeint und in 25-Kilo-Blöcken
eingefroren. Ende September wird ein Schiff mit bis dahin rund
6.000 Tonnen nach Nordkorea ablegen. Die Logistik der Verschiffung
und Verteilung im Land wird von der Gesellschaft für technische
Zusammenarbeit (GTZ) übernommen. Das Bundesverbraucherministerium
übernimmt die Kosten der Hilfsmaßnahme. Insgesamt standen für die
Ankaufaktionen inklusive Lieferung an Nordkorea 362 Millionen Mark
für 2001 zur Verfügung.

Weiteres Vorgehen:

Um die BSE-Bekämpfungsmaßnahmen noch straffer zu organisieren,
wird derzeit das Dritte Gesetz zur Änderung des Fleischhygiene-
gesetzes vorbereitet. Vorgesehen ist ein bundeseinheitliches
Vorgehen für Maßnahmen im Schlachtbetrieb nach Feststellung von
BSE bei einem geschlachteten Rind oder bei Fleisch von Rindern
aus einem Erzeugerbetrieb, in dem BSE festgestellt wurde. Darüber
hinaus ermöglicht es dieses Gesetz, Exportbetrieben, die z.B. das
Risikomaterial nicht ordnungsgemäß entfernen, die Ausfuhr von
Fleisch aus Deutschland zu verbieten.

Mit dem von der Bundesregierung geplanten Gütesiegel für konventionell
erzeugtes Fleisch und dem Aufbau einer gläsernen Lebensmittelkette
werden zudem mehr Transparenz und Sicherheit in der Fleischproduktion
geschaffen.

"BSE wird uns noch lange beschäftigen. Es geht auch in Zukunft darum,
mögliche Risiken frühzeitig zu erkennen und gezielt abzuwenden", so
Müller. Er erwartet eine zusätzliche Verbesserung und Beschleunigung
bei der Verwirklichung des Verbraucherschutzes durch die anstehenden
institutionellen Veränderungen, wie sie auch im von-Wedel-Gutachten
vorgeschlagen werden. Kernstücke dieser Reform sind die Einrichtung
eines Bundesamtes für Verbraucherschutz und einer Zentralstelle für
Risikobewertung, an der derzeit intensiv gearbeitet wird.
 



 

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