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AHO Aktuell - 25.07.2001

TA Luft - Eine weitere Hürde für die deutsche Schweinehaltung


(ISN) - Mit der neuen TA-Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der
Luft, allgemeine Verwaltungsvorschrift) sollen unter anderem für
den Bereich der Landwirtschaft eine Reihe von inhaltlichen neuen
Anforderungen für die Errichtung und den Betrieb von
Schweineställen aufgestellt werden. Zusammen mit einer starken
Ausweitung des Geltungsbereiches auf
nichtgenehmigungspflichtige Anlagen entwickelt sich die TA-Luft als
einfache Verwaltungsvorschrift zur zentralen Norm des
Immissionsschutzes bei landwirtschaftlichen Tierhaltungen. Die
Bedeutung für künftige Investitionsentscheidungen und die jeweilige
Standortwahl ist kaum zu überschätzen. Die deutsche
Schweineproduktion muß mit gravierenden Erschwernisssen
rechnen, die ihre Position auf dem europäischen Veredlungsmarkt
deutlich schwächt.

Für den 8. August 2001 ist eine Anhörung im
Bundesumweltministerium geplant.

Die Interessengemeinschaft der Schweinhalter
Nord-Westdeutschland (ISN) - veröffentlicht nachfolgend ihre
Position zu den geplanten Änderungen, die sie auch politischen
Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt hat:

1. Stark ausgeweiteter Geltungsbereich
-Vorsorge/Gefahrenabwehr


Mit der im Rahmen des Artikelgesetzes zur Umsetzung der
UVP/IVU-Richtlinie erfolgten Änderung der vierten Verordnung zum
Bundesimmissionsschutzgesetz wird der Geltungsbereich der TA-Luft
erheblich erweitert. Bereits relativ kleine Schweinehaltungsanlagen
(ab 417 Mastschweineplätzen, bzw. ab 58 Sauen mit
Ferkelaufzucht) unterfallen nunmehr dem Vorsorgegebot, was für
die Ausgestaltung des technischen Regelwerks nicht ohne Folgen
bleiben kann. Da die TA-Luft nunmehr auch Anlagen erfassen soll,
die nicht dem besonderen Genehmigungverfahren nach dem
Bundesimmissionsschutz sondern dem Genehmigungsverfahren
nach dem Baurecht unterliegen, kommt es zu einer Verwischung
der bislang klaren Abgrenzung zwischen Baurecht und
Bundesimmissionsschutzgesetz.

2. Unangemessene Methodik

Die Erfassung und Bewertung der Immissionen erfolgt mit den
gleichen Instrumenten die bei industriellen/gewerblichen Anlagen mit
definierten Abluftquellen erprobt sind. Die Übertragung dieser
Methodik ignoriert die besonderen Anlagen- und
Ausbreitungsverhältnisse in der landwirtschaftlichen Tierhaltung.
Die Erfassung der relativ geringfügigen diffusen Einträge ist mit
unverhältnismäßigen Meßkosten verbunden. Es ist insofern
angemessen, Immissionen aus der Tierhaltung durch einfache
Instrumente abzuschätzen und nicht durch Messungen zu ermitteln.
So ist es nur konsequent, wenn im zur Zeit vorliegenden Entwurf
bezüglich der Ermittlung der Ammoniakkonzentration auf ein
Abstandsdiagramm zurückgegriffen wird. Ein vergleichbares
Instrumentarium ist für die Abschätzung der Staubimmission zu
fordern.

3. GIRL/VDI-Richtlinien

Zur Erfassung und Bewertung der Geruchslasten war im
Arbeitsentwurf vom 08.12.00 noch die
Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) vorgesehen. Im zur Zeit
vorliegenden Entwurf wird nicht mehr auf die GIRL zurückgegriffen.
Dies ist unbedingt zu begrüßen, denn die GIRL basiert auf
Bewertungsansätzen, die sich in der Tierhaltung mit ihren
bodennahen Abluftquellen nicht anwenden lassen. Dagegen haben
sich die VDI-Richtlinien Emissionsminderung Tierhaltung, die zur
Abstandsbeurteilung bislang herangezogen wurden, bewährt. Es
steht damit ein Instrument zur Verfügung, das zumindest für den
Bereich der Landwirtschaft fachlich und rechtlich unumstritten ist.
Zur Bewertung der Geruchslasten sollte daher die
Weiterentwicklung der VDI-Richtlinien Emissionsminderung
Tierhaltung, die im Entwurf vorliegende VDI-Richtlinie 3474
herangezogen und als Beurteilungsinstrument für Tierhaltungen in
die TA-Luft integriert werden.

4. Ammoniak

Bekanntlich haben die Ammoniakeinträge aus landwirtschaftlichen
Quellen ihren Ursprung nicht primär in den baulichen Anlagen.
Deshalb ist die TA-Luft kein geeignetes Instrumentarium,
Reduktionen herbeizuführen.

5. Zielkonflikt tiergerechte Haltungsformen - Immissionsschutz

Die oben beschriebenen Mess- und Grenzwertanforderungen
bedingen eine Abkapselung der Viehställe. Damit wird eine weitere
Orientierung zu tiergerechten Haltungsformen (Kaltställe,
Offenställe, Auslaufställe etc.) behindert, ohne dass
Lösungskonzepte erkennbar wären.

6. Kosten/Standort

Die vorgenannten Anforderungen erschweren eine
zukunftsorientierte Standortwahl ungemein. Die Entwicklung der
vorhandenen Schweinhaltungsanlagen wird teilweise unmöglich.
Es kommt zu einer weiteren Zersiedelung des Außenbereiches. Die
zusätzlichen Anforderungen erhöhen die Produktionskosten um bis
zu 30 %.

7. Unerwünschte agrarstrukturelle Wirkung

Erfahrungsgemäß beschleunigen erhöhte Anforderungen an
Stallbaustandards sowie kompliziertere Genehmigungsverfahren
den Strukturwandel in der Landwirtschaft. Unter heutigen
Gesichtspunkten als größere Betriebe zu bezeichnende
Schweinehaltungen bewältigen diese Anforderungen in der Regel
besser und schneller. Andererseits unterbleiben die zur Anpassung
an die neuen Marktsituationen erforderlichen Investitionen in heute
noch entwicklungsfähigen Betrieben. Dies gilt insbesondere für
Schweinehaltungen in Größenordnungen, die nach den jüngsten
Vorstellungen der Bundesregierung für existenzfähig gehalten
werden.

8. Wettbewerb/Harmonisierung

Die vorgesehenen Regelungen beruhen nicht auf Vorgaben der EU.
Sie stellen einen Alleingang des Bundesumweltministeriums dar.
Dies ist im Hinblick auf die starke europaweite Orientierung der
deutschen Veredlungswirtschaft nicht akzeptabel. Die damit
verbundenen Konsequenzen für die vor- und nachgelagerten
Bereiche der Schweineproduktion führen zu einer Schwächung der
Wirtschaftskraft des ländlichen Raumes und des Standortes
Deutschland.

Insgesamt handelt es sich bei dem Entwurf für eine neue TA-Luft
um ein weiteres Instrument in einer Reihe von Maßnahmen mit
erheblichen kostenträchtigen Folgen für die Landwirtschaft. Ähnlich
wie bei der Umsetzung der UVP-Richtlinie werden neue nationale
Standards eingeführt. Dass diese nicht zwangsläufig dem
besseren Schutz bestimmter Umweltgüter dienen, sondern eher
fachfremden politischen Zielen, zeigt sich auch in der zunehmenden
Verhärtung und Unbeweglichkeit der Fachdebatte. Wie schon oft in
der Vergangenheit ist man wieder der Versuchung erlegen, mit den
Instrumenten des Umweltschutzes Agrarstrukturpolitik zu betreiben.
Das ist für die Interessengemeinschaft der Schweinehalter
Nord-Westdeutschland e.V. nicht akzeptabel, aber auch die
Umweltpolitik sollte sich ohne die Folgen zu erkennen und absehen
zu können, von solchen Ansinnen freihalten. Die Schweinehalter
möchten sich keineswegs neueren Haltungsverfahren, Techniken
und Bewertungsmethoden verschließen, setzen jedoch dafür eine
sachgerechte Bewertung/Beurteilung und Kosten-Nutzenanalyse
voraus.
 



 

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