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AHO Aktuell - 12.07.2001

Creutzfeldt, Jakob und die Prionen-die Karriere einer Krankheit

Genetischer Fehler und übertragbarer Prozess?


(idw) - Im Jahr 1920 beobachtete der Kieler Neurologe Hans Creutzfeldt an
einer 22-jährigen Patientin ungewöhnliche Symptome: Die junge Frau litt an
spastischen Lähmungen, Sprachstörungen, unwillkürlichen Augenbewegungen,
zwanghaftem Lachen und Bewusstseinsstörungen. Auf der anderen Seite der
Erdkugel auf Papua-Neuguinea litten zur gleichen Zeit vor allem Frauen
und Kinder des Fore-Stammes an ganz ähnlichen Krankheitserscheinungen.
Die als Kuru bezeichnete Krankheit - Kuru bedeutet "Zittern" oder
"Schütteln" - war hier bereits seit der Jahrhundertwende bekannt und
wurde durch rituellen Kannibalismus übertragen. Es handelte sich in
beiden Fällen um die gleiche Krankheit, die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
(Creutzfeldt-Jakob-Disease, CJD). Sie gehört zu den so genannten
spongiformen Enzephalopathien, die durch ein schwammartig zersetztes
Gehirn gekennzeichnet sind. Der Neuropathologe Professor Dr. Wolfgang
Schlote beschreibt ein Stück Wissenschaftsgeschichte: Er berichtet über
die Entdeckung und die Ursache der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und
anderer Prionenerkrankungen des Menschen.

Seit 1995 gibt es eine neue Variante der Krankheit (vCJD), die durch
Übertragung von BSE-Rindern ausgelöst wird. Bisher starben insgesamt 98
Engländer und drei Franzosen und ein Ire an vCJD. Die Erkrankung beginnt
nicht mit neurologischen, sondern mit psychiatrischen Symptomen, vor
allem Depressionen. Die Patienten sind im Endstadium der Krankheit
bewusstseinsverändert, fast blind und taub und haben keine Kontrolle
mehr über ihre Glieder, über Blase und Darm. Auf welchem Weg sich die
Patienten mit BSE infiziert haben, ist noch unbekannt, zumal das
Muskelfleisch infizierter Rinder nur wenig infektiös ist. Die
Konzentration infektiöser Prionproteinmoleküle pro Gramm Gewebe liegt im
Muskel bei weniger als zehn, in Leber, Lunge und Knochen bis zu 10000,
in Darm, Lymphknoten und Milz bis zu einer Million und in Gehirn,
Rückenmark und Knochenmark bis zu einer Milliarde. Einer der Betroffenen
war Vegetarier. Die Infektion kann nicht in allen Fällen über Magen und
Darm stattgefunden haben. Da sowohl die Magenbarierre als auch die
Blut-Hirn-Schranke überwunden werden müssen; ist dieser Weg sogar eher
unwahrscheinlich. Schutzmaßnahmen in den Schlachthöfen, in den
medizinischen Instituten und in den Testlabors sind daher oberstes
Gebot. Der Umgang mit den Patienten in der Klinik und auch zu Hause ist
dagegen ungefährlich, wie von allen Kennern und auch vom Referenzzentrum
für Prionkrankheiten in Göttingen betont wird; es besteht keine
Ansteckungsgefahr.

In Deutschland wird die meldepflichtige Creutzfeldt-Jakob-Krankheit an
der Universität Göttingen von der Prionforschungsgruppe unter der
Leitung von Professor Dr. Sigrid Poser erfasst, die jährlich den
neuesten Stand der Epidemiologie und der Möglichkeiten einer
Frühdiagnostik herausgibt. Die Sicherung der Diagnose dieser bisher
nicht heilbaren, tödlichen Krankheit ist nur durch pathologisch-
anatomische Untersuchung nach dem Tod der Patienten möglich.
Dafür ist das Institut für Neuropathologie der Universität München
zuständig, das von Professor Dr. Hans A. Kretzschmar geleitet wird.

Eine weitere Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ist die
Gerstmann-Sträußler-Scheinker-Krankheit (GSS), die seit 1936 bekannt
ist. Sie ist gekennzeichnet durch Gleichgewichtsstörungen, unsichere
Bewegungen und im fortgeschrittenen Stadium zunehmende Demenz, tritt
durchweg familiär auf und wird dominant vererbt. Diese eigenartige,
stets familiäre, spongiforme Enzephalopathie ist ebenso wie CJD
genetisch determiniert und kann durch ein infektiöses Agens übertragen
werden. Eine dritte familiär auftretende Variante der
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit wurde 1986 entdeckt, die familiäre
Schlaflosigkeit (Fatal Familial Insomnia, FFI), die mit motorischen,
endokrinen und vegetativen Störungen einhergeht und deren Schwerpunkt im
Thalamus des Zwischenhirns liegt. Bereits in vivo ist bei dieser
Krankheit mit der Positronen-Emissionstomographie ein selektiver
Stoffwechseldefekt im Thalamus erkennbar, sodass die Diagnose hier
ebenso wie bei GSS bereits zu Lebzeiten möglich ist.

Nähere Informationen: Professor Dr. Wolfgang Schlote, Institut für
Neuropathologie, Telefon: 069/6301-5571, Fax: 069/6301-7976, E-mail:
W.Schlote@em.uni-frankfurt.de

FORSCHUNG FRANKFURT - Wissenschaftsmagazin der Johann Wolfgang
Goethe-Universiät Frankfurt a.M.
jaspers@ltg.uni-frankfurt.de

Informationsdienst Wissenschaft (idw) - Pressemitteilung
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt (Main), 12.07.2001
 



 

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