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AHO Aktuell - 02.07.2001

Lebensmittelhygiene und Verbraucherschutz


(idw) - Mit der Lebensmittelhygiene und dem Verbraucherschutz wird am
Hygiene-Institut des Universitätsklinikums Münster (UKM) ein
zukunftsweisender neuer Schwerpunkt eingerichtet. Die Ausweitung des
Aufgabenspektrums des Instituts, das sich bislang auf die Bereiche
Krankenhaushygiene und Umwelthygiene sowie auf die Koordination der
Umweltmedizin konzentrierte, erfolgt im Zuge der Übernahme der
Institutsleitung durch Prof. Dr. Helge Karch. Der vor seinem Wechsel
nach Münster an der Universität Würzburg tätige Wissenschaftler gilt
als Spezialist unter anderem auf dem Gebiet der Feintypisierung und
Infektkettenaufklärung bei Lebensmittel- und Krankenhausinfektionen und
engagiert sich darüber hinaus in hohem Maße im Bereich der
BSE-Grundlagenforschung, weshalb sein fachlicher Rat in jüngster Zeit
immer wieder auf nationaler und europäischer Ebene gefragt ist.

Mit jährlich rund einer Million Mark an Drittmitteln, die der neue
Institutschef in Würzburg in den letzten Jahren regelmäßig zur
Durchführung seiner Forschungsaktivitäten eingeworben hat, sind die
Voraussetzungen für einen zügigen Ausbau des neuen Schwerpunkts in
Münster vielversprechend. Gemeinsam mit dem Institut für Medizinische
Mikrobiologie und anderen Instituten und Kliniken des UKM wird das
Institut für Hygiene somit künftig ein schlagkräftiges Team darstellen,
das die drängenden Fragen hinsichtlich der Erforschung und Bekämpfung
alter und neuer Krankheitserreger mit Nachdruck angeht.

Während seiner Tätigkeit in Würzburg hat Karch gemeinsam mit dem
Robert-Koch-Institut ein Frühwarnsystem etabliert, mit dem die
genetischen Fingerprints neu aufgetretener Erregerstämme durch das
Internet bundesweit übertragen werden. Auf diese Weise besteht die
Chance, bei Auftreten eines Krankheitsfalls in einer bestimmten Region
nachzuverfolgen, wo genau sich der Betreffende infiziert haben könnte,
welcher Bakterienstamm die Ursache ist und welches Lebensmittel
entsprechend kontaminiert war. Mit dem Wechsel Karchs werden dieses und
ein europaweites Früherfassungssystem nach Münster verlagert. Eine
solche Einrichtung ist um so wichtiger, als in den letzten Jahren
hierzulande im Zuge von Änderung der Lebensgewohnheiten und
Umweltbedingungen immer wieder neue Erreger in Lebensmitteln aufgetreten
sind, die unter Umständen lebensbedrohliche Erkrankungen auslösen
können.

Zu diesen Keimen jüngeren Datums, die beispielsweise durch Salmonellen
ausgelöste Gefährdungen noch weit in den Schatten stellen, gehören die
so genannten EHEC-Bakterien, die unter anderem durch Rohmilch,
nicht ausreichend gegartes Rindfleisch, Rohwurst oder kontaminiertes
Trinkwasser übertragen werden können. Laut Karch handelt es sich bei
diesem tückischen Bakterium um eine bösartige Mutation eines normalen
Bewohners der Darmflora, die zunächst eine Darminfektion auslösen kann
und über dabei gebildete Giftstoffe in immerhin jedem zwanzigsten Fall
insbesondere bei Kindern die Nierenfunktion nachhaltig schädigt.
"EHEC-Bakterien sind die häufigste Ursache für ein akutes Nierenversagen
bei Kindern", verweist Karch auf die Gefährlichkeit dieser
Lebensmittelinfektionen, von denen in Deutschland statistisch im Jahr
1000 bis 2000, tatsächlich jedoch nach Einschätzung von Experten
wahrscheinlich eher 20.000 Fälle auftreten. Um diese große neue
Herausforderung so effektiv wie möglich anzugehen, arbeitet Karch
derzeit an entsprechenden Präventionsmaßnahmen, wobei er auf eine
europaweite Erfassung der Bakterienstämme setzt.

Dass veränderte Ernährungsgewohnheiten Lebensmittelinfektionen Vorschub
leisten können, die vorher eine geringere Rolle spielten, zeigt die
Zunahme an Campylobacter-Infektionen. Dieser insbesondere in Geflügel
vorkommende Erreger hat sich im Zuge der BSE-Krise durch den auffälligen
Umstieg von Rindfleisch auf Geflügel enorm verbreitet und ist
mittlerweile genauso häufig wie Salmonellen. Rund 50.000 Fälle dieser
Durchfallerkrankungen werden derzeit pro Jahr in Deutschland gemeldet,
wobei dies laut Karch möglicherweise nur die Spitze eines Eisberges sei.
Neben einer Durchfallerkrankung können diese Bakterien auch das mit
bleibenden Lähmungen einhergehende Guillain-Barré Syndrom
als Folgeerkrankung auslösen. Karch kann durch Anwendung spezieller
Verfahren schon beim ersten Nachweis des Erregers feststellen, ob es
sich um eine harmlose oder um die gefährliche Variante handelt. Auch
hier sieht er im Sinne einer wirksamen Prävention seine Aufgabe darin,
die Bakterienstämme exakt zu typisieren und ihre Herkunft zu eruieren.

Mit großem Engagement ist der neue Direktor des Hygiene-Instituts auch
in die aktuelle BSE-Forschung involviert und gilt hier europaweit als
ausgewiesener Experte. In Münster will er gemeinsam mit Fachkollegen vom
Institut für Medizinische Mikrobiologie eine Forschergruppe BSE gründen.
Ziel der geplanten Arbeiten ist es zum Beispiel, Modelle zu entwickeln,
die erklären, unter welchen Bedingungen sich Proteine verändern und wie
die Aufnahme von Prionenproteinen in den Darm und von dort aus ins
Gehirn erfolgt. Darüber hinaus plant die BSE-Arbeitsgruppe die
Entwicklung empfindlicherer Nachweisverfahren, die eine bislang
ausschließlich an Hirnbiopsien toter Tiere mögliche Bestimmung künftig
am lebenden Tier beziehungsweise auch am Menschen ermöglicht.

Sollten sich Ergebnisse seiner bisherigen Aktivitäten im Bereich der
BSE-Grundlagenforschung bestätigen, könnte dies auch erstmals den Weg
für einen therapeutischen Ansatz bereiten: So konzentriert Karch sein
Augenmerk derzeit auf Proteasen, auf Enzyme also, die menschliche
Proteine spalten. Im Verlauf dieser Untersuchungen ist er inzwischen auf
eine Protease gestoßen, die allem Anschein nach in der Lage ist, auf
Prionenproteine, die als Auslöser für BSE gelten, einzuwirken und die
sich somit als Ansatzpunkt für eine therapeutische Strategie erweisen
könnte.

Informationsdienst Wissenschaft (idw) - Pressemitteilung
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster, 02.07.2001
 



 

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