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AHO Aktuell - 12.06.2001

4. aid-FORUM: Klasse statt Masse?

12. Juni 2001, Wissenschaftszentrum Bonn


(aid) - Nicht erst seit der BSE-Krise wird die landwirtschaftliche
Nutztierhaltung in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert.
Verbraucher fragen sich zunehmend, ob bestimmte Formen der Tierhaltung
oder -fuetterung die Qualität und Sicherheit sowie den Genuss- und
Gesundheitswert von Lebensmitteln tierischer Herkunft beeinflussen.
Andererseits bleibt aber auch die Frage, inwieweit sich Forderungen
nach umweltgerechter Erzeugung und tiergerechter Haltung sowie hohe
Qualitätsstandards für tierische Lebensmittel im Erzeugerpreis
niederschlagen muessen. Wie werden Handelsketten darauf reagieren,
wie werden sich Verbraucher in ihren Kaufentscheidungen verhalten?
- Diese und weitere Fragen wurden im Rahmen des 4. aid-Forums
diskutiert, das unter dem Titel "Klasse statt Masse? -
Landwirtschaftliche Nutztierhaltung und Verbraucherschutz" kürzlich
im Bonner Wissenschaftszentrum stattfand.

Für Klasse statt Masse als erste und wichtigste Option, sprach sich
Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft, in ihrer Eröffnungsrede aus. Die Agrar- und
Ernährungspolitik müsse, so Künast weiter, beim Verbraucher und an
der Ladentheke beginnen: "Die Verbraucher bestimmen die Richtung,
nicht die Produzenten". Transparenz sei das Gebot der Stunde. Damit
Verbraucher Produkte klar und eindeutig beurteilen können - nicht nur
nach Zusammensetzung, sondern auch nach Herstellungsweise und
Herkunft - gelte es eine umfassende Kennzeichnung anzustreben sowie
die unabhängige und seriöse Verbraucherinformation, wie sie z. B. der
aid betreibe, sicherzustellen.

Um das Verbrauchervertrauen in Lebensmittel, insbesondere tierischer
Herkunft, zurückzugewinnen müsse konsequent auf
Lebensmittelsicherheit und ein hohes Qualitäsniveau gesetzt werden.
"Dabei muessen alle ausnahmslos mitziehen: Bauern,
Futtermittelwirtschaft, Ernährungswirtschaft und Lebensmittelhandel",
sagte Künast.

Dr. Regina Wollersheim, Geschäftsführender Vorstand des aid, betonte
in ihrer Begrüßung der fast 200 Veranstaltungsteilnehmer aus
Ernährungs- und Landwirtschaft, Wissenschaft, Verbraucherverbänden
und Politik, dass der aid seine zentrale Aufgabe darin sehe,
wissenschaftlich abgesicherte, sachlich fundierte und neutrale
Informationen sowohl fuer die Verbraucher, die Landwirtschaft aber auch
für die lebensmittelverarbeitende Industrie zur Verfügung zu stellen. Mit
Veranstaltungen wie dem 4. aid-Forum "Klasse statt Masse?" will der aid
zudem den Bogen zwischen Landwirtschaft und Verbrauchern sowie
den dazwischen angesiedelten Bereichen spannen, um gemeinsam mit
allen Akteuren Lösungswege zu entwickeln und Antworten zu finden auf
die alle betreffende Frage "Wie lässt sich vom Stall bis auf den Teller
eine sichere Nahrungskette organisieren?".

In den folgenden Fachvorträgen ging es um die verschiedenen Aspekte
der Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere, der damit verbundenen
Qualität tierischer Produkte sowie um Fragen der Tiergerechtheit und
der Wirtschaftlichkeit fuer den landwirtschaftlichen Erzeuger. Die
Experten waren sich weitgehend darin einig, dass Qualitätsproduktion
tierischer Lebensmittel nicht nur die Produktqualität selbst, sondern
auch den Vorgang der Herstellung - also die Prozessqualität und damit
das jeweilige Haltungs- und Fütterungsverfahren - beinhalten müsse. So
betonte Prof. Albert Sundrum von der Universitaet Gesamthochschule
Kassel, dass erst durch eine Differenzierung bei den Produkt- und
Prozessqualitäten die Verbraucher in das Gesamtgeschehen
einbezogen und ihnen entsprechende Kaufoptionen offeriert werden
könnten. Mit anderen Worten, nur wer anhand der Verpackung erkennen
kann, welche Eier von Legehennen aus Batterie- oder aus Boden- oder
Freilandhaltung kommen, kann eigenverantwortlich seine Entscheidung
für den Kauf auch hinsichtlich der Prozessqualitaet treffen.

Ein transparentes, stufenübergreifendes Qualitätssicherungskonzept
gerade für Fleisch und Fleischwaren ist auch das Ziel des
Lebensmittelhandels. Dr. Marcus Girnau, Geschaeftsfuehrer im
Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels, berichtete, dass
hierzu bereits Gespräche zwischen Handel und Fleischwarenindustrie
stattgefunden hatten, um strenge, nachprüfbare Qualitätsvorgaben auf
allen Stufen der Lebensmittelkette festzulegen.

Eine wichtige Rolle in Sachen Lebensmittelsicherheit und
Verbraucherinformation spielt auch die Lebensmittelkennzeichnung.
"Untersuchungen aus neuerer Zeit bestätigen, dass die
Lebensmittelkennzeichnung vom Verbraucher weitgehend nicht
verstanden wird", sagte Michael Welsch, Geschäftsführer beim Bund für
Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde. Die Trennung von
Kennzeichnung und sonstiger Verbraucherinformation über moderne
Medien (z. B. den PC im Supermarkt) könnte hier, so Welsch, aus der
Sackgasse führen.

Transparente Produktionsbedingungen im Fleischbereich und vor allem
die Rückverfolgbarkeit vom Teller bis in den Stall machen neue Wege
erforderlich. Eine Möglichkeit bietet hier der "genetische Fingerabdruck"
des Tieres, der eine hundertprozentige Identitätskontrolle erlaubt und
mit dem sowohl die Identität eines Einzeltieres als auch die Herkunft
eines Fleischstückes kontrolliert werden kann. Dieses neue technische
Verfahren der Gewebeprobeentnahme und DNA-Analytik wurde von
Dr. Jürgen Mohrenstecher, Biopsytec Holding AG, vorgestellt. Mit
solchen Verfahren könne, so Dr. Mohrenstecher, eine Basis geschaffen
werden, um auf Probleme in der Tierproduktion schneller und effizienter
als bisher zu reagieren.

Das grosse Interesse an dem aid-Forum "Klasse statt Masse" zeigte,
dass gerade von Verbraucherseite ein enormes Bedürfnis nach mehr
Transparenz und gesicherter Information im Lebensmittelbereich
besteht, und dass alle an der Lebensmittelkette Beteiligten - wollen
sie Verbrauchervertrauen zurückgewinnen - ihren Beitrag in Richtung
"gläserne Produktion", gerade auch im Bereich von Lebensmitteln
tierischer Herkunft leisten muessen.
 



 

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