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AHO Aktuell - 25.05.2001

Die Patentlösung heißt integrierte Produktion


Symposium zur Krise der Fleischwirtschaft -
Prionenforscher Aguzzi kritisiert BSE-Politik - EU
plant generelle Herkunftssicherung / Von Dr.
Kurt Hoffmann


(LZ Net) - Eine starke Zunahme der Fälle von neuer
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, die auf BSE zurückgeführt
wird, erwartet der Schweizer Prionenforscher Prof. Dr.
Adriano Aguzzi, Leiter des Instituts für Neuropathologie
an der Universität Zürich. Der Wissenschaftler macht
weiterhin Defizite bei der BSE-Bekämpfung aus.

Das vollständige Verfütterungsverbot von Tiermehl sei
sehr begrüßenswert, komme aber zu spät und bedeute
nicht, dass jetzt schlagartig kein BSE mehr auftrete,
sagte Aguzzi auf eine Symposium zum Thema "Die
Fleischwirtschaft in der Krise", das die Firmen Fiba
Lebensmittelzusatzstoffe und Meggle Milchindustrie
GmbH anlässlich der IFFA in Frankfurt veranstalteten.

Sich heute über Rinderprodukte zu infizieren, sei zwar
sehr unwahrscheinlich, da das Risikomaterial entfernt
werde. Aber jene Menschen, die sich vor 10 Jahren
infiziert hätten, könnten die Erreger weitergeben,
beispielsweise über Blutspenden; oder der Erreger
könne sich über chirurgische Instrumente verbreiten,
da er sehr resistent gegen jegliche Art von Desinfektion
sei.

Risiken im Schlachtprozess

"Warum haben die europäischen Länder bis zum Jahr
2000 gewartet, bis das Risikomaterial verboten
wurde?", fragte Aguzzi. Dies sei ein Skandal, denn man
habe über die Risiken Bescheid gewusst.

Noch immer stelle sich das Problem, dass bei der
Spaltung der Wirbelsäule im Schlachtprozess
Rückenmark eventuell nicht vollständig beseitigt
werden könne. Hier bestehe noch
Gefährdungspotenzial. Man müsse neue Methoden
finden. Auch wenn der Kopf vom Rumpf getrennt
werde, gelange Rückenmark nach außen und stelle
eine Kontaminationsquelle dar.

Zu den heute angewendeten BSE-Tests bemerkte
Aguzzi, diese reagierten nur auf eine relativ hohe
Prionenkonzentration und damit sehr unempfindlich. "In
der Humanmedizin würde ein solch unempfindlicher
Test nicht zugelassen", so der Wissenschaftler. "Ein
negativer Test besagt gar nichts. Ein positiver besagt,
dass sie am besten einen weiten Bogen um das Rind
machen", so sein Fazit.

Keine "heile Welt" vorgaukeln

Staatsminister Eberhard Sinner vom Bayerischen
Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und
Verbraucherschutz sagte mit Blick auf die von Aguzzi
angesprochenen BSE-Risiken, man dürfe diese "nicht
kleinreden". Der Verbraucher müsse sich darüber im
Klaren sein, dass es kein "Null-Risiko" gebe. Es dürfe
deshalb nicht nur "heile Welt" kommuniziert werden.

Es gehe aber darum, darüber waren sich alle
Teilnehmer der Diskussionsrunde einig, mögliche
Risiken durch geeignete
Qualitätssicherungsmaßnahmen in der Fleischwirtschaft
insbesondere durch den Aufbau integrierter
Produktionssysteme zu vermeiden beziehungsweise zu
minimieren.

Caspar von der Crone, Geschäftsführer der kürzlich
gegründeten Qualitätspartnerschaft Fleisch, betonte, er
beurteile das Vorhaben, bei dem Handel und Industrie
an einem Tisch sitzen, optimistisch. Die entscheidende
Frage sei allerdings, wie dem Konsumenten die Vorteile
des umfangreichen Qualitätssicherungssystems zu
vermitteln seien. Damit müsse sich die Branche
intensiv beschäftigen, wenn das System stehe.

Gesamte Kette wird eingebunden

Ob ein Siegel letztlich der richtige Weg sei, sei fraglich,
wie die Erfahrung der Vergangenheit mit der
"Siegelflut" zeige.

Dass die Nahrungsmittelhersteller in Zukunft mit hoher
Wahrscheinlichkeit nicht mehr um eine integrierte
Produktion herumkommen, machte der Geschäftsführer
des Bundes für Lebensmittelrecht und
Lebensmittelkunde (BLL), Michael Welsch, deutlich.

Er verwies auf Artikel 9 des Entwurfs einer
europäischen Basisverordnung zum Lebensmittelrecht,
in dem jeder Produzent zu einer umfangreichen
Dokumentation verpflichtet wird. <

Dieser Entwurf wird nach Welschs Ansicht nicht nur ein
"theoretischer Ansatz" bleiben, sondern
Futtermittelproduzenten und Bauern per Gesetz in die
Dokumentationspflicht der Kette zwingen.

Die Notwendigkeit, sich integrierten
Produktionssystemen anzuschließen, betonte auch
Helmut Ehlen, Vizepräsident der Deutschen
Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) und Vorsitzender
des Zentralverbandes der Deutschen
Schweineproduktion.

Bereitschaft zur Integration wenig ausgeprägt

Allerdings, räumte Ehlen ein, fehle heute vielfach noch
die Bereitschaft auf der Erzeugerebene. "Wir können
heute an jeder Ecke Schweine verkaufen, ohne
QPF-Spielregeln einhalten zu müssen", so der Vertreter
der Landwirte auf dem Podium.

Es sei tatsächlich schwierig, qualitäts- und
herkunftsgesichertes Schweinefleisch zu bekommen,
erklärte Karl-Heinz Kiesel, Geschäftsführer der Herta
GmbH. "Wir haben drei Jahre gebraucht, um 60 Prozent
unseres Schweinefleischs abzusichern", so Kiesel. Bis
Ende dieses Jahres sollen es 100 Prozent sein.

Der Herta-Chef ist jedoch nur vorsichtig optimistisch,
dass die von der Branche eingeleiteten Maßnahmen zur
Herkunfts- und Qualitätssicherung ausreichen werden,
die Fleischwirtschaft dauerhaft aus den Schlagzeilen zu
halten. Er sieht das Hauptproblem derzeit im Einsatz
von genmodifizierten Futtermitteln. Im Moment gebe es
dazu keine andere Alternative, da nicht genügend nicht
genmodifizierte Futtermittel verfügbar seien.

Während die Genmodifikation im Futter nachweisbar
sei, sei die Analytik heute noch nicht so weit, den
Einsatz dieser Futtermittel auch in Fleisch und Wurst
nachweisen zu können. Nach Ansicht Kiesels ist es
jedoch nur eine Frage der Zeit, bis dies möglich ist und
dieses Thema öffentlich problematisiert wird.

http://www.lz-net.de/
vom 24. Mai 2001
 



 

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