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AHO Aktuell - 22.05.2001

Eingewanderte Tier- und Pflanzenarten können zur Gefahr werden


Bonn/Berlin: Wir verspielen einen der kostbarsten Schätze unserer Welt:
die natürliche Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt. Eine der wichtigsten
Gefährdungsursachen ist das Einschleppen und Einführen gebietsfremder
Tiere und Pflanzen durch den schrankenlosen weltweiten Handel und
Tourismus. Darauf weisen das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und das
Umweltbundesamt (UBA) anlässlich des "internationalen Tages der
biologischen Vielfalt" am 22. Mai 2001 hin. Zahlreiche Beispiele zeigen,
dass manche der "Einwanderer" die heimischen Tier- und Pflanzenarten
verdrängen können - mit fatalen Folgen. Denn weniger Arten bedeuten auch
weniger Vielfalt im genetischen Erbgut. Geht sie zurück, können sich
Tiere und Pflanzenarten weniger an veränderte Lebensbedingungen anpassen
und drohen auszusterben. Das kann auch erhebliche ökonomische Folgen
für die Land- und Forstwirtschaft haben. Zum Beispiel sind etwa 10
Prozent unserer sogenannten Unkräuter in der Landwirtschaft eingeschleppte
Arten. Die beiden Bundesämter fordern daher mehr Aufmerksamkeit für die
Problematik und einen überlegten Umgang mit gebietsfremden Tier- und
Pflanzenarten - vor allem beim bewussten Import.

Weltweit stellt die Einbringung nichtheimischer Tier- und Pflanzenarten
nach dem Verlust von Lebensräumen die zweitgrößte Bedrohung für die
biologische Vielfalt dar. "Würden alle geographischen Schranken abgebaut,
könnten theoretisch 70 Prozent aller Pflanzen, 65 Prozent aller Säugetiere
und nahezu 50 Prozent aller Vogelarten ausgelöscht werden", sagte der
Präsident des Bundesamtes für Naturschutz, Prof. Dr. Hartmut Vogtmann.
Allein in Deutschland sind mindestens 417 gebietsfremde Pflanzenarten -
sogenannte Neophyten - dauerhaft eingebürgert: Sie haben mit etwa zwölf
Prozent einen erheblichen Anteil an der gesamten Artenzahl. Zur Zeit
werden 20-30 Neophyten als problematisch eingestuft und bekämpft, etwa
der Riesenbärenklau. Die Schätzungen über die wirtschaftlichen Schäden
durch nichtheimische Organismen werden etwa für die Landwirtschaft der
USA auf jährlich zwei bis drei Millionen US-Dollar geschätzt. Rechnet
man die Verluste, die in Viehzucht, Gartenbau und Forstwirtschaft
entstehen dazu, steigen die jährlichen Kosten auf 3,6 bis 5,4 Millionen
US-Dollar. Für Deutschland gibt es noch keine vergleichbaren Zahlen.
Mit dem weltumspannenden Handel und Tourismus erhält fast jede Tier-
und Pflanzenart irgendwann einmal die Möglichkeit, sich in neue Gebiete
zu bewegen, sei es durch gezielte Einfuhr, etwa als Zierpflanze, oder
als blinder Passagier in Verpackungen oder eingetopften Zimmerpflanzen.

Afrikanische "Killerbienen" töten Touristen in Costa Ricas Guanacaste
Provinz. Europäische Neunaugen dezimieren die Fischbestände der
nordamerikanischen Großen Seen. Dies sind spektakuläre Beispiele für
verschleppte Organismen, sogenannte Neobiota. Zumeist aber ist das
erste Auftreten einer neue eingewanderten Tier- oder Pflanzenart -
insbesondere in Deutschland - weit weniger sensationell. Nur geschulte
Augen bemerken die oft eher unscheinbaren Neulinge. Doch der Schein
trügt nicht selten. Durch ihre oft höhere Konkurrenzkraft verdrängen
sie einheimische Organismen und werden so zur Gefahr für die
natürlicherweise entstandene Artenvielfalt der Tier- und Pflanzenwelt.

In Deutschland sind die Probleme durch eingeführte gebietsfremde
Tier- und Pflanzenarten im Vergleich zu anderen Regionen der Welt
vergleichsweise gering. Insbesondere auf relativ artenarmen
tropischen Inseln sind die Bedingungen für eingewanderte Organismen
vielfach so gut, dass einheimische Arten verdrängt werden. Ein
eindrucksvolles Beispiel ist eine im zweiten Weltkrieg mit
militärischen Nachschubgütern auf der Pazifikinsel Guam eingeschleppte
Baumschlange. Sie rottete mehr als ein Dutzend nur dort vorkommender
Vogelarten aus. Natürlicherweise ist diese Insel schlangenfrei, so
dass die Vögel keinerlei Fluchtverhalten gegenüber Schlangen entwickelt
haben.

"Nicht jede neu eingewanderte Tier- oder Pflanzenart bereitet Probleme.
Aber haben sich konkurrenzstarke Neobiota erst einmal fest eingebürgert,
wird man sie nur schwierig und mit hohen Kosten wieder los. Deshalb ist
es wichtig, sie frühzeitig zu erkennen und dann zu handeln", sagte der
Präsident des Umweltbundesamtes, Prof. Dr. Andreas Troge. Eine Studie
im Auftrag des Umweltbundesamtes soll am Beispiel der deutschen Flora
Methoden zur Früherkennung solcher Arten entwickeln. Darüber hinaus
plant das Bundesamt für Naturschutz die Einrichtung einer Internet-Seite
zu invasiven Neobiota, die es jedem ermöglicht, diese Arten zu erkennen.
Außerdem sollen deren Verbreitung in Deutschland, durch sie bedrohte
Biotope und effektive Methoden zu ihrer Bekämpfung vorstellt werden.
Das Umweltbundesamt hat in der Veröffentlichung "Fallstudien zu
gebietsfremden Arten in Deutschland" unter anderem Ausbreitungsgeschichten
einiger gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten in Deutschland dargestellt.
Eine besonders prominentes Beispiel einer gebietsfremden Tierart in
Deutschland ist der Bisam, der bereits im vergangenen Jahrhundert für die
Pelztierzucht eingeführt wurde. Einige Tiere entkamen aus Pelzfarmen und
haben sich in Deutschland ausgebreitet. Der Bisam wird intensiv bekämpft,
denn er richtet beträchtlicher ökologische und wirtschaftliche Schäden an.

Die beiden Bundesämter weisen darauf hin, dass jeder einen kleinen
Beitrag zum Schutz einheimischer Arten leistet, wenn er neu entstandene
Vorkommen invasiver Arten entfernt. Entscheidend für den Erfolg ist, wie
und zu welcher Zeit das geschieht. So ist der Japanische Staudenknöterich,
dessen dichte Bestände sich in vielen süddeutschen Naturschutzgebieten
ausbreiten und dort jede andere Art verdrängen, gerade um diese Zeit gut
zu bekämpfen: die bis zu 2 Zentimeter dicken, massiven Sprosse sind noch
weich und können besonders nach Regenfällen mit einem Teil des anhaftenden
Rhizoms leicht herausgerissen werden. Um diese Zeit ist bereits ein
Großteil der Nährstoffe aus dem Rhizom in die schnell wachsenden Sprosse
gewandert und kann mit diesen entfernt werden. Später im Sommer, wenn die
Pflanze sehr auffällig ist, sind die bis zu zweieinhalb Meter hohen Sprosse
sehr stabil und kaum noch zu entfernen, und ein Teil der Nährstoffe ist
bereits wieder in die unterirdischen Rhizome gewandert. Man kann auch
vorsorgend etwas gegen die Ausbreitung konkurrenzstarker gebietsfremden
Tier- und Pflanzenarten tun: So sollte man beim Bepflanzen des Gartens
möglichst keine unbekannten, gebietsfremden Pflanzen einsetzen, auf das
Sammeln und Mitbringen von Pflanzen und Tieren aus dem Urlaub verzichten
und keine Fische für die Sportfischerei ausbringen, die hier nicht
heimisch sind.

Hintergrund:

Der internationale Tag der biologischen Vielfalt wird in diesem Jahr
erstmalig am 22. Mai gefeiert. Vor genau neun Jahren - am 22. Mai 1992 -
wurde nach eingehenden Verhandlungen der Vertragstext des Übereinkommens
über die biologische Vielfalt in Rio de Janeiro beim UN-Gipfel über Umwelt
und Entwicklung beschlossen. Das Übereinkommen über die biologische
Vielfalt ist wie die Klimarahmenkonvention ein völkerrechtlich bindendes
Vertragswerk der Vereinten Nationen. Beide behandeln Probleme, die nur
durch eine internationale Zusammenarbeit gelöst werden können. Während
sich die Klimarahmenkonvention mit dem Schutz der Erdatmosphäre
beschäftigt, hat das Übereinkommen über die biologische Vielfalt den
Schutz der Biosphäre zum Ziel. Der Begriff "biologische Vielfalt"
umfasst die Vielfalt der Lebensräume, die Vielfalt der Arten und die
genetische Vielfalt innerhalb der Arten. Das Übereinkommen trägt damit
Sorge für die Sicherung der Lebensgrundlagen. Gemäß Artikel 8 h des
Übereinkommens über die biologische Vielfalt verpflichten sich die
Vertragsstaaten, "...die Einbringung gebietsfremder Arten, welche
Ökosysteme, Lebensräume oder Arten gefährden, zu verhindern, und diese
Arten zu kontrollieren oder zu beseitigen". Diese Verpflichtung besteht
auch aufgrund einer Vielzahl anderer internationaler
Artenschutzübereinkünfte.


Die Veröffentlichung "Fallstudien zu gebietsfremden Arten in
Deutschland" ist in der Reihe TEXTE des Umweltbundesamtes als
Nr.13/2001 erschienen. Sie kostet 20,- DM und kann bei der
Firma Werbung und Vertrieb, Ahornstraße 1-2, 10787 Berlin
gegen Zusendung eines Verrechnungsschecks bestellt werden.
Bitte bei der Bestellung die TEXTE-Nummer und den Namen des
Bestellers angeben.

Bundesamt für Naturschutz, 21.05.2001
 



 

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