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AHO Aktuell - 19.05.2001

Kommentar zur Zukungt des Verbraucherschutzes in Europa


von Alexander Döring, Brüssel
KRAFTFUTTER / FEED MAGAZINE
Aktueller Kommentar des Monats Mai

Zwischenbilanz

Der XXII. Fefac-Kongress vom 6. bis 8. Juni in Helsinki gibt Veranlassung,
die Umsetzung der neuen Grundprinzipien des integrierten Ansatzes "vom Hof
auf den Tisch" zum Schutz des Verbrauchers, die im Weißbuch der EU-
Kommission dargelegt sind, zu beleuchten. Folgende Aspekte bedürfen einer
besonderen Betrachtung:

· Verfügt die Europäische Kommission über die geeigneten Mittel,
Gemeinschaftsrecht im Bereich Verbraucherschutz durchzusetzen

· Welche Aufgabenteilung zwischen europäischen und nationalen Behörden
auf der einenSeite und den Wirtschaftspartnern bis hin zum Endverbraucher
auf der anderen Seite erweist sich als zweckdienlich im Hinblick auf die
Wiedererlangung des Verbrauchervertrauens in tierische Erzeugnisse?

Im Zusammenhang mit der "zweiten BSE-Krise", im vergangenen Jahr ausgelöst
durch neue Fälle in Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien, hat sich
Fefac direkt an den Kommissionspräsidenten Romano Prodi gewandt mit der
Aufforderung dafür zu sorgen, dass die notwendigen Schutzmassnahmen in
allen Mitgliedsstaaten in gleicher Weise umgesetzt werden. Es muss sich
die Erkenntnis durchsetzen, dass nationale Alleingänge in einem Binnenmarkt
mit 340 Millionen Verbrauchern niemanden nützen und letztendlich die
Vertrauenskrise der Verbraucher nur weiter verschärfen. Die Schluss-
folgerung aus der BSE-Krise muss lauten, dass es sich die EU nicht leisten
kann, unterschiedliche Verbraucherschutzmassnahmen bezüglich Futtermittel
und tierischen Erzeugnisse in Mitgliedsstaaten aufrechtzuerhalten. Das
bisherige Konzept für Lebens- und Futtermittel reicht nicht aus, es
beschädigt die Glaubwürdigkeit der EU-Institutionen und wirkt sich
nachteilig auf alle Wirtschaftspartner aus.

Im Antwortbrief der Kommission, verfasst von Robert Coleman,
Generaldirektor der Generaldirektion Verbraucherschutz und Volksgesundheit,
schließt man sich uneingeschränkt der Fefac-Bewertung an. Die jüngsten
Erfahrungen hätten klar gezeigt, dass die Lebensmittelsicherheit nicht
nur ein Anliegen der Verbraucher ist sondern eine ebenso "lebenswichtige"
Bedeutung für das Funktionieren des Binnenmarktes und für die Interessen
des Agrar- und Lebensmittelsektors hat. EU-Kommissar David Byrne hat
mehrfach auf die negativen Auswirkungen einseitiger einzelstaatlicher
Aktionen in Krisenzeiten hingewiesen. Er teilt Fefacs Auffassung, das
harmonisierte Bedingungen auf Gemeinschaftsebene gelten müssen, die auf
wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und daher nicht in Frage gestellt
werden dürfen. In dieser Hinsicht soll die Schaffung einer unabhängigen
europäischen Lebensmittelbehörde einen Fortschritt bringen.

Die Frage der korrekten Umsetzung der Gemeinschaftsregeln auf Ebene der
Mitgliedsstaaten ist von entscheidender Bedeutung. Kommissar Byrne sieht
die wichtigste Ursache für die BSE-Krise und für den Vertrauensverlust
der Verbraucher darin, dass die nationalen Behörden die erforderlichen
Schritte nicht unternommen und den Konsumenten zu lange BSE-Freiheit
versichert haben. Daher hat er erneut das Europäische Veterinärkontrollamt
gebeten, zusätzliche Inspektionen in allen Mitgliedsstaaten vorzunehmen,
um die strikte Einhaltung aller gültigen BSE-Schutzmassnahmen zu
überprüfen. Es bleibt das überragende Ziel der Kommission, den europäischen
Verbrauchern optimale Sicherheitsgarantien zu bieten.

Vergleicht man Anspruch und Wirklichkeit, so ergeben sich erhebliche
Zweifel. Bei der BSE-Krisenbewältigung hat die Kommission nach wie vor
große Mühe, alle Mitgliedsstaaten unter einen Hut zu bekommen. Die
nationalen Alleingänge Deutschlands und Frankreichs zeigen dies mit
aller Deutlichkeit, wenn man die Verbotsentscheidungen beim Einsatz von
tierischen Fetten und Fischmehl betrachtet. Es ist ferner untragbar, wenn
die EU-Kommission keinen aussagefähigen Überblick über die Durchführungs-
modalitäten der amtlichen Futtermittelkontrolle in den Mitgliedsstaaten
und über die gewonnenen Ergebnisse hat.

In den vergangenen Jahren wurde das Ziel einer harmonisierten Gemein-
schaftsgesetzgebung auf der Grundlage von Richtlinien verfolgt, die
einen relativ breiten "Manövrierraum" auf nationaler Ebene zuließen.
Jetzt besitzt die Kommission mit Ihrem Veterinärkontrollamt als
"Wachhund" eigene Zähne, um die Mitgliedsstaaten und auch die betroffenen
Wirtschaftspartner da zu beißen wo es weh tut. Es macht voraussichtlich
einen Unterschied, ob Mitgliedsstaaten lediglich zur Kasse gebeten werden
wegen Nichteinhaltung des Gemeinschaftsrechts oder ob ein im Internet
veröffentlichter Kontrollbericht Mängel in der offiziellen Lebens- bzw.
Futtermittelkontrolle offenbart. Dies kann zu einem unangenehmen
"Gesichtsverlust" in der Öffentlichkeit und in Brüsseler Ministerrunden
führen.

Für die Mischfutterhersteller auf nationaler und europäischer sowie
internationaler Ebene darf es keinen Zweifel daran geben, den begonnenen
Dialog mit Zulieferern und Abnehmern bis hin zum Endverbraucher zur
Schaffung eines durchgängigen, stufenlosen Qualitätssystem intensiv
fortzusetzen mit dem Ziel, eine Vertrauensgemeinschaft in der gesamten
Kette herzustellen. Dieser Dialog hat auch den nützlichen Nebeneffekt,
dass weiter bestehende Differenzen zwischen unterschiedlich geregelten
Rechtsbereichen, wie beispielsweise Veterinär- und Futtermittelrecht
sowie Lebensmittelrecht oder auch zum Kontrakt- und Umweltrecht deutlich
gemacht und abgebaut werden können.

Die Einrichtung der europäischen Lebensmittelbehörde könnte in Verbindung
mit dem zunehmenden Einfluss des Veterinärkontrollamtes zur stärkeren
Durchsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse auf EU-Ebene führen.
Deutliche Zweifel an der Realisierung dieser Kurse ergeben sich allerdings
durch den Einfluss des europäischen Parlamentes. Die aktuelle Diskussion
um die Deklarationsform bei Mischfutter macht deutlich, dass Emotionen
die Diskussion bestimmen und nicht fachlich begründete Lösungen.

Der Fefac-Kongress in Helsinki greift diese und weitere Aspekte in
seinem Programm auf, die letztendlich in der zentralen Fragestellung
münden: Ist Europa ein guter Standort für Investitionen in die
Veredelungswirtschaft? Transparente und zuverlässige
Rahmenbedingungen sind dafür unverzichtbare Voraussetzungen.
 



 

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