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AHO Aktuell - 05.05.2001

StarLink: Die letzte?


Von Oliver Rautenberg

Die gentechnisch veränderte Maissorte StarLink ist die Speerspitze in der
Diskussion der US amerikanischen Öffentlichkeit über Genfood, seitdem im
Herbst Spuren der nicht für Lebensmittel zugelassenen Sorte in Nahrungs-
mittel wie Tacos oder Tortillas nachgewiesen wurde. Es kam eine Welle von
Ereignissen ins Rollen, die bis heute nicht gestoppt werden konnte:
Lebensmittelproduzenten nahmen entsprechende Produkte aus den Regalen,
das verantwortliche Unternehmen Aventis CropScience kaufte die gesamte
StarLink-Ernte des Jahres auf und verzichtete vorsorglich auf den
weiteren Verkauf von StarLink-Saatgut. Staaten, die von den USA Mais
importieren, verweigerten die Annahme von US-Exporten, in denen Spuren
der gentechnisch veränderten Maissorte gefunden wurden. Die Spirale der
Ereignisse drehte sich kontinuierlich weiter und sorgte für die bisher
größte Krise in der Diskussion um den Einsatz transgener Pflanzen. Aventis
CropScience, Lebensmittelproduzenten sowie die zuständige US-Umweltbehörde
(EPA, Environmental Protection Agency) suchen nun einen Weg aus der Krise,
die nicht nur die Öffentlichkeit beschäftigt, sondern auch mit erheblichen
wirtschaftlichen Folgen verbunden ist.

Zur Erinnerung:

StarLink enthält ein gentechnisch eingeführtes Bakterien-Eiweiß, das die
Sorte gegen den Europäischen Maiszünsler widerstandsfähig macht. Sie wird
damit interessant für Landwirte, deren Felder einem spezifischen
Schädlingsdruck ausgesetzt sind. Das übertragene Eiweiß (Cry9C) wurde von
der amerikanischen Umweltbehörde (EPA), die für die Zulassung gentechnisch
veränderter Pflanzensorten zuständig ist, einer Sicherheitsprüfung unter-
zogen. Dabei konnten proteinchemische Untersuchungen nicht vollkommen
ausschließen, daß Cry9C allergene Eigenschaften haben könnte. Die
Verarbeitung von StarLink-Mais zu Lebensmitteln für den menschlichen
Verzehr wurde daher untersagt. Zugelassen wurde die Sorte jedoch als
Tierfutter sowie als industrieller Rohstoff. Ein offenbar unterschätztes
Problem war die simple Tatsache, daß trotz strenger Kontrollen und
unterzeichneter Erklärungen der Weg eines Maiskorns nicht absolut zu
kontrollieren ist: Pollendrift auf den Feldern und Vermischungen beim
Erntetransport und bei der Maisverarbeitung in den Mühlen verfrachteten
ein wenig StarLink-Mais und damit das umstrittene Cry9C-Eiweiß auch in
Lebensmittel.

Aventis CropScience geriet unter starken Druck seitens der Umweltverbände
und der immer sensibleren Öffentlichkeit. Kritisiert wurde auch die
Teilzulassung des Mais durch die EPA, ohne die es nicht zur heutigen
Situation hätte kommen können. Nachdem StarLink-Mais die Schlagzeilen
erobert hatte, meldeten sich Personen, die glaubten, gegen den Mais
allergisch zu sein. Die EPA läßt alle vorliegenden Fälle zur Zeit von
medizinischen Einrichtungen prüfen. Einige Wissenschaftler sehen jedoch
eine Allergenität von Cry9C nicht nur als unwahrscheinlich, sonder sogar
als ausgeschlossen an. Der Nachweis einer Allergie kann schwierig sein,
und bisher gibt es in keinem Fall begründete Hinweise auf eine
Cry9C-Allergie. Auch Amerikas Maisexportwirtschaft geriet unter Druck,
da StarLink-Mais in keinem anderen Land eine Zulassung besitzt, aber in
Exportchargen in geringen Mengen nachgewiesen werden konnte.

Aventis CropScience argumentiert für einen Grenzwert bei StarLink

Das Dilemma liegt klar auf der Hand: Trotz fehlender voller Zulassung und
einem totalen Anbaustopp wird man auch in Zukunft Spuren von StarLink-Mais
in Lebensmitteln und in Export-Mais finden. Cry9c läßt sich praktisch nicht
mehr aus der Welt schaffen. Um dieser Tatsache gerecht zu werden, hat
Aventis CropScience vergangene Woche einen Antrag bei der EPA für die
Einführung eines Grenzwerts für Cry9C von 20 ppb (parts per billion) in
Mais-Chargen eingereicht, dessen wissenschaftliches Fundament eine neue
und umfangreiche Studie1 bildet. Auf der Basis von Anbaudaten, Daten über
den Anteil von Cry9c in verarbeiteten Lebensmitteln sowie die detaillierte
Berücksichtigung der Ernährungsgewohnheiten verschiedener Bevölkerungs-
gruppen kam Aventis CropScience auf eine maximale tägliche Aufnahme von
Cry9C pro US-Bürger und pro Tag von 0,4 Mikrogramm (0.0000004 Gramm).
Dieser Wert liegt weit unterhalb dem von der EPA im vergangenen Herbst
geschätzten maximalen Wert von 25 Mikrogramm und dem von Aventis selbst
geschätzten Wert von 3 Mikrogramm. Studien der EPA2 zum Abbau von Cry9C
während der Verarbeitung in Mühlen ergaben vergleichbare Ergebnisse. Die
von Aventis eingereichte Studie fasst zuammen: "Die Annahme des Antrags
auf die Einführung eines Grenzwerts (von 20ppb) gewährleistet den
umfassenden Schutz des Verbrauchers, selbst wenn der Verdacht auf
allergene Eigenschaften von Cry9C nicht vollkommen ausgeschlossen werden
kann." Die Einhaltung des Grenzwerts will Aventis durch ein umfangreiches
Programm gewährleisten, das kontinuierliche Tests auf Cry9C bei den Mais-
verarbeitenden Mühlen vorsieht.

Ein sicherer Grenzwert ist die Lösung des Dilemmas

Gesetzliche Voraussetzung für die Einführung des Grenzwerts ist eine
wissenschaftliche Bewertung durch das Beratungsgremium (SPA, Scientific
Advisory Panel3) der EPA. Der Grenzwert muß als "sicher" für die öffent-
liche Gesundheit bewertet werden, was in den Worten des Gesetzes "begrün-
dete Gewissheit, daß keine Bedrohung vorliegt" bedeutet (im Original:
reasonable certainty of no harm). Das impliziert, daß es ein "Nullrisiko"
de facto nicht gibt und auch nicht geben kann. Letztlich weisen die den
Antrag stützenden wissenschaftlichen Ergebnisse auf die Einführung eines
Grenzwerts. Die öffentliche Gesundheit ist in vernünftigem Maß gesichert
und wirtschaftliche Konsequenzen werden minimiert. Es wäre Ignoranz
gegenüber der Realität, wegen einiger Moleküle Cry9C gesamte Produktzyklen
aus den Regalen zu nehmen. Und es bleibt zu hoffen, daß die Umweltverbände
die mögliche Einführung eines Grenzwerts für Cry9C nicht als Kapitulation
der Behörden vor der Wirtschaft diffamieren. Die Entscheidung fällt die EPA
letztlich nicht ausschließlich auf Basis der Ergebnisse der wissenschaft-
lichen Gremien, denn auch öffentliche Kommentare zu dem Antrag werden mit
berücksichtigt. Aufgabe der EPA ist es nach den kürzlich gesprochenen
Worten des hochrangigen EPA-Mitarbeiters Stephen Johnson, neben der
"Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit" auch, das "Vertrauen des
Konsumenten in die Sicherheit der erhältlichen Nahrungsmittel zu erhalten".
Sicher bleibt indes nur eins: Eine Teilzulassung für eine gentechnisch
veränderte Pflanzensorte, die neben industriellen Anwendungen auch zu
Lebensmitteln weiterverarbeitet wird, wird es zukünftig nicht mehr geben.
Insofern ist zu hoffen, daß die letzte Klappe in der StarLink-Saga nun
fallen wird und alle beteiligten Akteure daraus gelernt haben.
 



 

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