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AHO Aktuell - 25.04.2001

Effektive Seuchenbekämpfung ist nicht zum Nulltarif zu haben


(bgvv) - Sind Infektionskrankheiten bei unseren Tieren auf dem Vormarsch
und in wie weit besteht ein Risiko für den Verbraucher? - Diese Frage
stellen sich viele Bürger angesichts der Meldungen über BSE, Rinder-
tuberkulose sowie Maul- und Klauenseuche. Durch konsequente Bekämpfungs-
maßnahmen konnten bedeutungsvolle, für den Menschen relevante Tierseuchen
in der Vergangenheit getilgt oder stark zurückgedrängt werden. Darunter
auch die Tuberkulose der Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine, die
Brucellose der Rinder und Schweine sowie die Lungenseuche der Rinder,
Schafe und Ziegen. Durch Tierhandel und Tiertransporte (über große
Entfernungen und durch Gegenden mit unterschiedlichem Erregervorkommen),
durch Lebensmittel und andere Erzeugnisse tierischer Herkunft, aber auch
durch den Menschen selbst, können diese und andere Infektionskrankheiten
und - erreger aber jederzeit (wieder) nach Deutschland gelangen. Auch
wenn sich aus den aktuellen Daten keine für den Verbraucher besorgnis-
erregenden Trends ableiten lassen, warnt das BgVV davor, aufgrund der
erzielten Erfolge, in der Seuchenbekämpfung nachzulassen. Infektions-
risiken lassen sich nur durch strenge gesundheitliche Kontrollen aller
gehandelten Tiere einschränken. Völlig ausschließen lassen sie sich
nicht. Die hierfür erforderlichen Untersuchungen sind personalaufwendig
und teuer, aber ohne diesen Aufwand kann der gesundheitliche Verbraucher-
schutz nicht gewährleistet werden.

Krankheiten, die durch direkten Kontakt oder über vom Tier stammende
Lebensmittel auf den Menschen übertragen werden können, werden als
Zoonosen bezeichnet. Zu ihnen zählt eine Reihe durch Bakterien und
Viren übertragbarer Krankheiten, aber z.B. auch die Bovine Spongiforme
Enzephalopathie (BSE). Die Maul- und Klauenseuche ist keine Zoonose im
engeren Sinn. Sie zählt zwar zu den ansteckendsten Tierseuchen, ist für
die Gesundheit des Menschen aber kaum von Bedeutung. Wie wichtig eine
konsequente und kontinuierliche Seuchenbekämpfung ist, wird am Beispiel
der Tuberkulose deutlich: Die Tuberkulose des Rindes wird durch das
Mycobacterium (M.) bovis verursacht. Die Tierseuche kommt weltweit vor.
Der Erreger kann über unzureichend erhitzte, kontaminierte Milch, aber
auch direkt auf den Menschen übertragen werden und löst bei ihm die
klassische Tuberkulose aus. 1950 handelte es sich noch bei 10 bis 30 %
aller Tuberkulosefälle des Menschen in Deutschland und Europa um
Infektionen mit M. bovis. Mit der konsequenten staatlichen Bekämpfung
der Rindertuberkulose und der strikten Pasteurisierung der Milch haben
Infektionen mit M. bovis ihre Bedeutung für den Menschen weitgehend
verloren. Seit 1997 gilt Deutschland als "frei" von Rindertuberkulose,
d.h. dass nur noch in unter 0,01 % aller Bestände vereinzelte
Tuberkulosefälle auftreten.

Als Folge des Rückgangs der Tuberkulosefälle wurden bewährte seuchen-
hygienische und tierseuchendiagnostische Maßnahmen Mitte der 90er Jahre
erheblich eingeschränkt. So wurde beispielsweise auf die "Intrakutanprobe",
in Rinderbeständen verzichtet. Dieser Hauttest lieferte aber nicht nur
Hinweise auf Infektionen mit M. bovis, sondern (bei Anwendung von
Geflügeltuberkulin) auch auf M. avium, den Erreger der Geflügeltuberkulose.
Man versprach sich davon Einsparungen von jährlich rund 10 Millionen DM.
Das BgVV wies darauf hin, dass mit diesen Einsparungen ein Rückschritt
im Verbraucherschutz in Kauf genommen würde und dass die Reduzierung
diagnostischer Überwachungsverfahren vor dem Hintergrund des weltweiten
Tierhandels nicht sinnvoll sei. Zwischenzeitlich haben Infektionen mit
M. avium weltweit eine neue gesundheitliche Bedeutung gewonnen. Im
Vordergrund stehen dabei Infektionen bei HIV-infizierten Patienten mit
oftmals tödlichem Verlauf.

Auch bei nicht HIV-infizierten Personen ist ein Anstieg an Infektionen
mit M. avium zu verzeichnen. Das Gefährdungspotential liegt vor allem
in der Resistenz der Erreger gegenüber den herkömmlichen Medikamenten.
Für ein weiteres Mykobakterium, den Erreger der Paratuberkulose des
Rindes, M. avium ssp. paratuberculosis, wird eine Beteiligung an
der Entstehung und Entwicklung von Morbus Crohn, einer schweren
chronischen Darminfektion des Menschen, diskutiert.


Eine weitere seuchenhygienisch bedenkliche Entwicklung belegen die
jährlich vom BgVV herausgegebenen Zoonosenberichte: Danach ist ein
allgemeiner Rückgang der labordiagnostischen Erregerdifferenzierungen
zu verzeichnen. Von deren Zahl hängt aber der Wert der prognostischen
Aussagen ab. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Änderung in den
Verzehrsgewohnheiten mit einem erhöhten Risiko für die Übertragung
von Zoonosen einhergeht. Insbesondere der Trend hin zu naturbelassenen,
rohen Lebensmittel ist unter seuchenhygienischen Aspekten als kritisch
zu betrachten. Rohe Milch und nicht erhitzte oder nach der Erhitzung
wieder kontaminierte Fleischprodukte können ideale Nährböden für eine
Reihe von Krankheitserregern sein.

Zur Kontrolle und Überwachung bedeutungsvoller Zoonosen- und
Tierseuchenerreger wurde in Deutschland eine Reihe von Referenz- und
Konsiliarlaboratorien eingerichtet. Einige davon sind am BgVV angesiedelt.
Sie erarbeiten und bewerten neue labordiagnostische Methoden und schaffen
durch die Entwicklung molekularbiologischer Charakterisierungsverfahren
die Grundlage zur Aufklärung von Infektionsquellen und -ketten. Eine
kostenlose Übersicht über die deutschen Referenz- und Konsiliar-
laboratorien kann schriftlich in der Pressestelle des BgVV angefordert
werden.

bgvv, 14/2001, 24. April 2001

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