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AHO Aktuell - 14.04.2001

Verbraucherschutz in Land- und Ernährungswirtschaft


(DLG). Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) hat jetzt in Berlin
Leitlinien und Maßnahmen zum Verbraucherschutz in Land- und Ernährungs-
wirtschaft vorgelegt. Der rund 70 Seiten starke Katalog enthält neben einer
Schwachstellenanalyse zahlreiche konkrete umsetzbare Problemlösungen. "Wir
nehmen die Verbraucherforderung nach einer schnellstmöglichen Beseitigung
der Schwachstellen bei der Lebensmittelherstellung und insbesondere bei
Fleisch und Wurstwaren sehr ernst. Daher befinden wir uns in vielen
Bereichen bereits mitten in der Umsetzungsphase, um die vorhandenen
Problembereiche schnell und wirksam neu zu organisieren", erklärte der
Präsident der DLG, Philip Freiherr von dem Bussche, bei der Vorstellung
der Leitlinien und Maßnahmen vor der Presse in Berlin.

Der von der DLG zusammengestellte Maßnahmenkatalog umfasst alle Bereiche
vom Rohstoff Fleisch bis zur Ladentheke. Er benennt die Schwachstellen
sowie die offenen Fragen und enthält umsetzbare Lösungen für die Bereiche
Futtermittelherstellung und Fütterung, Tierhaltungsformen, zu Fragen der
Tiergesundheit und der guten tierärztlichen Praxis, der Schlachtung und
Verarbeitung sowie des Lebensmittelhandels. Das Maßnahmenbündel beschreibt
die Möglichkeiten und Techniken zur Erreichung von Transparenz und Rück-
verfolgbarkeit. Folgerungen aus einer kritischen Bestandsaufnahme des
Krisenmanagements und der Risiko-Kommunikation in Sachen BSE werden ebenso
gezogen wie die Auswirkungen des Umdenkens auf die landwirtschaftlichen
Betriebe dargestellt. Es sind die Ergebnisse einer Klausurtagung, die die
DLG vor zwei Wochen in Göttingen durchgeführt hat. Daran nahmen 120 Fach-
leute aus Wissenschaft, Handel, Beratung, der praktischen Landwirtschaft,
von Organisationen und der staatlichen Verwaltung teil.

Die Politik habe mit der "Neuen Agrarpolitik" zur Neuausrichtung der
Landwirtschaft und der Forderung nach Ökologisierung und Extensivierung
reagiert. Eine verbraucherorientierte Neuausrichtung der Landwirtschaft
könne allerdings nicht von Staats wegen vorgeschrieben werden, schon gar
nicht eine flächendeckende ökologische Wirtschaftsweise, betonte der DLG-
Präsident. "Öko-Produktion ist teuer, damit eine Nischenproduktion und
nur für eine kaufkräftige Kundschaft interessant. Sie ist kein Allheil-
mittel für eine ganze Volkswirtschaft", betonte Freiherr von dem Bussche.
Auch regionale Erzeugung habe ihre Grenzen, wenn Großstädte in einem
dichtbesiedelten Staat versorgt werden müssten. Die Neuausrichtung könne
sich nur sehr ausgewogen an den Bedürfnissen der Verbraucher und den
Gesetzmäßigkeiten der Märkte orientieren. Voraussetzung für ein Gelingen
sei auf jeden Fall, dass die Landwirtschaft Selbsthilfe übt und dass der
Staat ihr dafür Freiräume lässt. "Die Politik soll die Ziele formulieren,
aber nicht den Weg dorthin verordnen. Sicherheit, Qualität und Trans-
parenz müssen sowohl in konventionellen als auch in ökologischen, in
kleinen sowie in großen Betrieben realisiert werden, sie sind nicht
trennbar", hob der DLG-Präsident hervor.

Land- und Ernährungswirtschaft zur Selbsthilfe bereit

Die BSE-Krise habe alle an der Herstellung von Lebensmitteln Beteiligten
wachgerüttelt. Der Agrar- und Ernährungssektor wird jetzt die vorhandenen
Schwachstellen bei der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung besei-
tigen, um das stark belastete Vertrauenskonto bei den Verbrauchern wieder
aufzufüllen und gleichzeitig die internationale Wettbewerbsfähigkeit der
am Prozess Beteiligten zu stärken", sagte der DLG-Präsident. Das Thema
Lebensmittelsicherheit stehe auf der internationalen Agenda obenan. Dieses
Bewusstsein müsse sehr schnell zu Strukturveränderungen in der deutschen
Agrarwirtschaft führen. "Davon hängt die Akzeptanz beim deutschen Ver-
braucher ebenso ab wie die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer
Ernährungswirtschaft". Die DLG als Organisation, die auf allen Stufen der
Kette Fachkompetenz einbringt, biete mit ihrer bereits geleisteten und
zukünftigen Arbeit die Chance, Qualität und Sicherheit bei Lebensmitteln
und ihren Herstellungsverfahren zu dokumentieren. Damit werde an den Handel
und den Verbraucher ein Signal gesetzt, so Freiherr von dem Bussche, dass
die Land- und Ernährungswirtschaft zur Selbsthilfe bereit sei und frei-
willige Standards oberhalb der gesetzlichen Mindestnormen erfüllen wolle.

DLG: Freiwillige Standards oberhalb der gesetzlichen Mindestnormen

"Mit unserem DLG-Kodex für Wurst und Fleischwaren für unsere Qualitäts-
wettbewerbe haben wir dem Fleischer-Handwerk und der Fleischwaren-Industrie
bereits ein Instrument an die Hand gegeben, mit dem sie den Verbrauchern
bzw. dem Lebensmittel-Einzelhandel signalisieren, dass es sich bei ihren
Produkten um sichere und qualitativ besonders hochwertig erzeugte Produkte
handelt", sagte der DLG-Präsident. Als logische Konsequenz, alle im
Hinblick auf mehr Verbraucherschutz und Vertrauen maßgeblichen Glieder in
der Erzeugungs- und Verarbeitungskette von Fleisch in eine verstärkte
Qualitätssicherung einzubeziehen, werde die DLG in kürze den DLG-Kodex für
Mischfutter und in den nächsten Wochen einen DLG-Kodex für die Erzeugung
tierischer Lebensmittel im landwirtschaftlichen Betrieb mit Modulen für
die Fütterung, Haltung und das Gesundheitsmanagement entwickeln. Den
Kodex für Tiergesundheit werde die DLG in enger Zusammenarbeit mit der
deutschen Tierärzteschaft erarbeiten. Darin würden für den Landwirt als
Nutztierhalter Instrumente zur Eigenkontrolle, Dokumentation und Zerti-
fizierung angeboten. "Auch unser seit einem Jahr gemeinsam mit dem Her-
stellerverband Innenwirtschaft (HVI) laufendes Zertifizierungs-System
von Melkservice-Technikern stellt einen wichtigen Baustein für die
Qualitätserzeugung dar", betonte Freiherr von dem Bussche.

DLG-Gebrauchswertprüfungen zur Verbesserung der Tiergerechtheit

"Tiere sollen sich in ihrer Umgebung wohlfühlen", erklärte der DLG-
Präsident. Es sei aber nicht leicht, diesen Sachverhalt festzustellen.
Menschliche Maßstäbe seien hier fehl am Platz, wohl aber wissen-
schaftliche Untersuchungen zur "Tiergerechtheit". Im Rahmen der DLG-
Gebrauchswertprüfungen hätte sich die Überprüfung der Tiergerechtheit
von Stalleineinrichtungen bewährt. "Eine Stärke dieser Prüfung liegt
darin, dass sie Aspekte des Umweltschutzes und der Produktsicherheit
mit untersucht". Die detaillierten Prüfergebnisse würden der Land-
wirtschaft und der Beratung wichtige Informationen zum tiergerechten
Bau von Stalleinrichtungen bieten. Der Tierschutz, Fragen der Klima-
führung, von Licht und Luft, tierbezogene Temperaturanpassungen, aber
zum Beispiel auch die Melktechnik seien hier wesentliche Elemente.
"Es ist im Sinne des Verbrauchers, wenn Techniken, die Einfluss auf
das Wohlbefinden landwirtschaftlicher Nutztiere haben, einer Prüfung
unterzogen werden", sagte Freiherr von dem Bussche.

Standards über die gesamte Kette hinweg einhalten

Die Klausurtagung habe deutlich gezeigt, so der DLG-Präsident, dass jede
Stufe in der Wertschöpfungskette vor ähnlichen Herausforderungen steht.
Es gehe um die Definition und Einhaltung der Produktionsstandards, eine
wirkungsvolle Kontrolle und um transparente Dokumentationen. Dabei sei
auf drei Ebenen anzusetzen: Bei der Sicherheit des jeweiligen Rohproduktes,
bei der Risikominimierung im Bearbeitungsprozess und bei der Kommunikation.
Standards müssten über die ganze Kette hinweg gleich sein und gut kon-
trolliert werden. Nach Auffassung von Freiherr von dem Bussche ist die
Qualitätssicherung dafür das geeignete Werkzeug. "An der Qualitätssicherung
müssen sich alle Unternehmen der Lebensmittelerzeugung beteiligen, auch die
Landwirtschaft, die bisher oft genug das schwächste Glied der Kette war."
Die DLG werde durch geeignete Aktivitäten dafür Sorge tragen, dass die
Landwirtschaft in den Gesamtprozess stärker eingebunden wird. Dies werde
auch in der Landwirtschaft zu mehr industriell geprägten Organisations-
strukturen und zu größeren Betrieben führen.

Der Handel entwickelt eigene Sicherheitskonzepte

Unter dem Druck des eingebrochenen Verbrauchervertrauens habe der Handel
eigene Sicherheits-Konzepte. So werde versucht, in Zusammenarbeit mit
dem Europäischen Handels-Institut (EHI) europaweit gültige Standards der
Lebensmittelsicherheit zu etablieren. Man wolle wieder Marken ausbauen,
anstatt sie nur gegen Katastrophen zu sichern. So entstehe unter Druck
ein Top-down-Konzept, in das der Vorlieferant ultimativ eingebunden wird.
Gleichzeitig würde die Erzeugerstufe an "runden Tischen" für neue
Kooperationsformen in der Kette arbeiten. "Die DLG wird sich dafür
einsetzen, dass zwischen den einzelnen Konzepten keine ‚Black Box'
entsteht. Der Handel braucht Erzeuger, die seine Vorgaben umsetzen
können. Eigenprogramme der Produktionsstufen funktionieren nur dann,
wenn sie konsequent bis zur Ladentheke ausgerichtet sind".

Was bedeutet die Neuausrichtung für den einzelnen landwirtschaftlichen
Betrieb?


Für die landwirtschaftlichen Betriebe bedeute die Neuausrichtung Risiko
und Chance zugleich. Risiko für diejenigen, die an alten, bestehenden
und überholten Strukturen festhalten. Chance für diejenigen Landwirte,
die sich als Teil der Wertschöpfungskette verstehen und sich in klar
geregelten Beziehungen mit den vor- und nachgelagerten Stufen neu
organisieren. "Nur in solchen Verbünden sind die Landwirte in der Lage,
fortlaufende Qualitätsmanagementsysteme mit vollständiger Dokumentation
vom Stall bis zur Ladentheke zu etablieren", betonte der DLG-Präsident.
Das bedeute auch, dass in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit indus-
trielle Standards gelten müssten. Dadurch werde sich der Strukturwandel
erheblich beschleunigen, denn Dokumentation, Herkunftssicherung und
Qualitätssicherungskonzepte sind teuer und daher nur in größeren Ein-
heiten wirtschaftlich. Sie verlangen auch qualifiziertes Personal, dessen
Ausbildung und Gehaltsvorstellungen nur größere Betriebe sicherstellen
können.

Wachstum auch bei den Öko-Betrieben notwendig

Die Politik müsse sich mit den Folgen dieses Strukturwandels, der mit
der angekündigten "Agrarwende" verbunden ist, auseinandersetzen. Auch
bei den ökologisch wirtschaftenden Betrieben habe der Trend zum Größen-
wachstum sichtbar eingesetzt. Das sei auch logisch, weil die angestrebten
Zuwächse nicht im Hofladen, sondern in den Regalen des Lebensmitteleinzel-
handels erreicht werden müssten. Dynamische Zuwächse würden zur Zeit von
den Großbetrieben des ökologischen Landbaus in den neuen Bundesländern
realisiert: Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg haben die höchsten
Anteile in der "Bio-Erzeugung". Auch die sogenannte "konventionelle"
Landwirtschaft setzt, so Freiherr von dem Bussche, auf Innovation und
technische Fortschritte, die sichere Erträge, artgerechte Tierhaltung
und Ressourcenschutz kombinieren. Schließlich würden Umweltschutz und
Lebensmittelsicherheit auf allen Stufen hohe Investitionen erfordern,
die nur von leistungsfähigen und optimistischen Unternehmern geleistet
werden könnten.

Aufgaben der Politik verändern sich

Nach Auffassung des DLG-Präsidenten werden sich die Aufgaben der Politik
verändern, sie muss vor allem Planungssicherheit geben. "Wenn der Staat
in Zukunft so wenig Kontrolle in der Fläche leistet wie bisher, dann
müssen die Kontrollsysteme effizienter und durchschlagender auf privater
Ebene organisiert werden". Allerdings könne sich der Staat nicht von der
Organisation eines vorbeugenden Krisenmanagements freisprechen. Dazu
gehöre in besonderem Maße die Planung der Kommunikation im Krisenfall.
"Wir schlagen vor, einen Mediastab mit einem Team von Experten zusammen-
zustellen, der fachlich abgesicherte Informationen in die Öffentlichkeit
tragen kann. Es ist sicher nicht leicht, aber absolut notwendig, dass die
Politik das Rampenlicht soweit als möglich an die Experten abtritt, sobald
Krisen auftreten". Die Schweiz liefere hierfür, so Freiherr von dem
Bussche, ein gutes Vorbild. Es dürfe nicht mehr geschehen, dass
Tierkrankheiten wie BSE oder Seuchen wie MKS politisch instrumentalisiert
werden. "Es ist unverantwortlich, den verunsicherten Verbrauchern eine
Vielzahl von Rezepten zu verkünden und damit Lösungen zu verkaufen. Der
Verbraucher muss ernst genommen werden, man muss ihm eindeutig erklären,
was passiert ist und welche Maßnahmen, durch Fachleute abgesichert,
ergriffen wurden".

Download: Die DLG-Veröffentlichung "Verbraucher in Land- und
Ernährungswirtschaft"


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