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AHO Aktuell - 14.04.2001

Mehr Lebensmittelsicherheit bei Schlachtung und Fleischverarbeitung


Dr. Wolf-Dietrich Müller, Bundesanstalt für Fleischforschung, Kulmbach

(DLG). Der bisher übliche Schlachtprozess beim Rind beinhaltet einige
kritische Prozessstufen, bei denen die Gefahr einer Übertragung von
Risikomaterialien (Gehirn, Rückenmark) auf Fleisch und/oder Organe besteht.
Dazu gehören die Betäubung mittels Bolzenschuss, das Absetzen des Kopfes
sowie vor allem das Spalten der Schlachtkörper längs der Wirbelsäule.

Maßnahmen bei der Schlachtung:

· Bei der handwerklichen Schlachtung ist eine Warm- oder Kaltzerlegung im
Hängen möglich, bei der die Wirbelsäure nicht eröffnet wird und so der
Kontakt von Fleisch mit Rückenmark sicher vermieden werden kann. Inzwischen
sind mehrere praktikable Zerlegetechniken verfügbar.

· Bei der industriellen Schlachtung und Zerlegung sind mehrere Vorgehens-
weisen möglich. Eine Möglichkeit ist das Heraussägen des ungeöffneten
Wirbelkanals mit einer Doppelsäge, deren Sägeblätter einen Abstand von
5 cm aufweisen. Dieses Verfahren hat sich nicht bewährt, da zwar der
Wirbelkanal uneröffnet bleibt, aber die Spinalganglien, die ebenfalls
zum spezifizierten Risiko-Material (SRM) gehören, angesägt werden.
Weiterhin kommt es zu erheblichen Verlusten an hochwertigem Fleisch und
zu Beschädigungen der Schlachttierkörper im Bereich des Roastbeefs und
des Kamms.

Eine Ovalsäge mit einem Durchmesser von 8 cm ist in der Entwicklung, die
weder das Rückenmark noch die Spinalganglien ansägen soll. Ob diese
Entwicklung erfolgreich sein wird und sich ausreichend automatisieren
lässt, ist derzeit noch nicht absehbar.

· Ein weiteres derzeitig praktiziertes Verfahren ist das Absaugen des
Rückenmarks unter Vakuum über einen Kunststoffschlauch mit einem
Metallkopf. Hier sind mehrere Verfahren in der Entwicklung und Erprobung,
die laufend optimiert werden. Dieses Verfahren wird derzeit als das
günstigste angesehen. Anschließend wird der Tierkörper wie üblich gesägt.
Danach erfolgt derzeit ein Herausfräsen der Dura mata (feste Rückenmarks-
haut). Dieses Verfahren ist noch nicht optimal, da Material von der Dura
mata - obwohl abgesaugt wird - am Arbeitsplatz verteilt wird.

Weitere aktuelle Vorschläge:

· Die Konstruktion eines neuen Gerätes, bei dem die Absaugung des Rücken-
markes in einem Arbeitsschritt mit einem internen Herausfräsen der Dura
mata erfolgt, wurde vorgeschlagen. Technisch ist die Entwicklung eines
derartiges Gerätes möglich. Von Nachteil werden eine entsprechende
Entwicklungszeit und die zu erwartenden hohen Kosten des Gerätes bewertet.
Weiterhin besteht die Gefahr, dass wiederum die Spinalganglien beim Fräsen
verletzt werden.

· Daraus wurde die aktuelle Empfehlung abgeleitet, das Rückenmark
abzusaugen und die Dura Mata nicht auszufräsen, das Ergebnis des Schnell-
testes abzuwarten (sofern die Rinder älter als 24 Monate sind), dann zu
zerlegen und die Wirbelknochen als Risikomaterial zu entsorgen.

· Weiterhin sollte die Risikominderung im Vordergrund stehen, das heißt
Beobachtung der Tiere nach dem Schweizer Modell und Aussonderung sowie
getrennte Schlachtung von verdächtigen Tieren. Auch die getrennte
Schlachtung von Tieren unter 24 Monaten, die nicht untersucht werden
müssen, und Schlachtung von über 24 Monaten alten Tieren, die mit
Schnelltest auf BSE untersucht werden müssen, könnten zur Erhöhung der
Sicherheit und gleichzeitig zur Verminderung des Aufwandes beitragen.

· Dringende Empfehlung: Nationale Alleingänge bei Beschlüssen und Maßnahmen
ollten vermieden werden.

Maßnahmen bei der Fleischwarenverarbeitung:

Aus der Sicht der Hersteller von Fleischwaren wurden die Skandale, wie zum
Beispiel Dioxin, Schweinepest oder Medikamentenmissbrauch, ausnahmslos im
Vorfeld der Fleischwarenproduktion auf der Erzeugerstufe verursacht.
Fortschrittliche Hersteller haben neue Kriterien für die Rohstofferzeugung
und Rohstoffbeschaffung entwickelt. Wesentliche Punkte der Strategie zur
Schaffung von Verbrauchervertrauen sind:

· Auf- und Ausbau von Marken, die gepflegt und geschützt werden müssen.

· Fleisch herausholen aus seiner Anonymität durch Rückverfolgbarkeit der
Rohstoffe vom lebenden Tier (von der Geburt) beim Erzeuger bis zum fertigen
Fleischerzeugnis in der Verkaufstheke sowie die totale Transparenz des
Herstellungsprozesses.

· Einflussnahme auf die Genetik, Haltung, Fütterung, Transport und
Schlachtung. Verarbeitung hält sich an gesetzliche Anforderungen, zum
Beispiel keine Verarbeitung von Risikomaterial oder Einhaltung der
Kennzeichnungspflicht. Werden dem Verbraucher gegenüber weitergehende
Versprechen gegeben, zum Beispiel keine Verwendung von Separatorenfleisch,
werden diese auch kontrolliert und eingehalten.

· Organisation: Jede Stufe kontrolliert die Vorstufe; Verarbeitung ->
Zerlegung -> Schlachtung -> Tierproduktion -> Futtermittelherstellung
(zum Beispiel auf Ausschluss bestimmter gesetzlich verbotener oder vom
Abnehmer nicht gewollter Bestandteile wie Tiermehl oder Leistungsförderer).
Lückenlose Dokumentation aller Maßnahmen und Ergebnisse.

· Gute Erfahrungen wurden gemacht, wenn die Statistik der Befunde der
Fleischuntersuchungen an die Mäster zurückgegeben werden. Hierdurch
erhalten die Mäster ein Kontroll-Instrument.

· Forderungen an die Politik zum Beispiel hinsichtlich der Reglementierung
der Zusammensetzung der Futtermittel.

· Erhöhter Untersuchungsaufwand auf allen Stufen ist zur Kontrolle
notwendig.

· Intensive Öffentlichkeitsarbeit mit folgenden Möglichkeiten:

Ständig aktuelle Präsentation im Internet - vor allem für die

- Multiplikatoren (Medien).
- Werksbesichtigungen von Verbrauchern
- Intensive Pressearbeit
- Breite Streuung von Kundenmagazinen und Broschüren

Die Erfahrung der letzten Monate und Wochen lehrt, dass die Marke in der
Krise nicht so stark gelitten hat wie die Handelsware!
 



 

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