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AHO Aktuell - 29.03.2001

MKS: An Warnungen hat es nicht gefehlt


(aho) - Die Maul - und Klauenseuche (MKS) trifft Europa, die Politiker,
Wissenschaftler und die Veterinärverwaltung nicht überraschend. Schon
lange gab es Warnungen vor den katastrophalen Folgen der Tierseuche.
Neben der FAO warnte auch die LVM - Versicherung anläßlich
einer Tagung. Nachfolgend wird eine Zusammenfassung übermittelt:


Tagung der LVM - Versicherung in Münster am 25.11.1999:

Gefahren, Ausbruchswahrscheinlichkeit und Auswirkungen der Maul- und
Klauenseuche


· Zunehmender Handel, bes. mit Mittel- und Osteuropa bringt erhöhte Gefahr
D als wichtiges ldw. Import- und Exportland mitten in Europa, dazu
Transitverkehr 1937-38 letzter MKS-Ausbruch: sehr schnelle Ausbreitung in
fast ganz Europa

· MKS-frei: Nordamerika, EU, Australien
Verbreitet: Indien, Türkei, Naher Osten, Südosteuropa, Südamerika, Afrika
(bes. Algerien, Marokko, Tunesien)
Nicht gemeldet: China, GUS-Staaten
Türkei, z.T. Griechenland, Bulgarien, Balkan (Serbien, Albanien) u.a.
Seuche noch begrenzt wegen kleinstrukturierter Ldw. und geringem
Tierverkehr (hier ist "Ausbreitung so schnell wie eine Kuh laufen kann").

· Jüngstes Beispiel: Taiwan, in wenigen Tagen die gesamte Insel durch-
seucht; nur Schweine betroffen - ungewöhnlich, Virulenz für verschiedene
Spezies wechselt mitunter
Dynamik eines Seuchenzuges in nicht geimpften Populationen innerhalb der
modernen Landwirtschaft ist sehr hoch: 1968 bis 80 Neuausbrüche pro Tag in
UK, heute wahrscheinlich noch schneller

· Analyse der Übertragungswege:

66 % kontaminiertes Fleisch, Fleischprodukte, Speiseabfälle
6 % Einfuhr Tiere
3 % Impfstoffe
4 % kontaminierte Personen
20 % aerogene Übertragung, Vögel

Achtung: jeder Betrieb hat vielseitige Kontakte!

· MKS-Virus:

- sehr starke Kontagiosität (vgl. Pest)
- sehr hohe Ausscheidungsrate (Speichel, Milch, Harn, Kot)
- Ausscheidung bereits lange vor Klinik
- minimale Infektionsdosis (aerogen = nur durch Einatmen)
- infizierte Tiere können sehr lange Ausscheider sein
- sehr hohe Überlebensrate des Virus
- aerogene Übertragung durch Wind
- Achillesferse: Inaktivierung bei geringem pH-Wert: pH < 5 in
Minuten, pH < 4 in Sekunden

Rind gilt als "Sammler", Schwein als "Verbreiter" des Virus (1 Schwein
scheidet so viele Viren aus wie 3000 Rinder!)

· Genaue Diagnose im Labor unbedingt notwendig (verschiedene andere
Krankheiten mit sehr ähnlichen Symptomen) # Tübingen Vakzinebank
(Aktuelle Virusstammsammlung, Antigenlagerung, laufend Vakzineproduktion
mit Abfüllung, Verpackung und Versand)7 verschiedene Serotypen mit je
einzelnen öligen inaktivierten Virus-Vakzinen, ohne Kreuzreaktionen

· bis 1991 Schutzimpfung (1x jährlich Rinder > 4 Monate) eingestellt, weil
ineffektive Vakzine, besser ist eine aktuelle Vakzinebank zu halten, um
Virus genauer zu treffen

· aerogene Übertragung durch Wind über 100 km möglich (Computermodelle für
Windverbreitung: es gibt zwar Hauptwindrichtung West, aber entscheidend ist
die genaue Windlage an den (unerkannten) Tagen der Ausscheidung vor dem
Auftreten von Symptomen) ? Wind ist nicht kalkulierbar, damit ist auch die
Übertragung nicht kalkulierbar.

· Osteuropäische Länder haben sehr hohe Ansprüche, Gesetze entsprechen
denen der EU, oft zu Unrecht diffamiert trotz der finanziell schwierigen
Situation. Türkei ist Schwachpunkt, dorthin finanzielle Hilfen der EU
zur Eigensicherung
Süden der GUS-Staaten: fast keine Nachrichten, dorthin finanzielle
Hilfen der EU, um wenigsten Informationen zu erhalten

· Prinzipien der MKS-Prävention und Bekämpfung in D:
- Importpolitik, Grenzkontrollen, Inspektionen
- Notstandspläne, Diagnostik
- Keulung infizierter Bestände
- Verkehrsbeschränkung von Tieren und tierischen Erzeugnissen
- Kontrolle über Transportmittel
- Antigenreserven, Notimpfung (Gegensatz zur ESP) entweder auf Anordnung
der EU oder im nationalen Alleingang

Von Erfahrungen des ESP-Seuchenzuges lernen
Neue aktualisierte Richtlinie für MKS in Arbeit, 1.1.2001 vermutlich in
Kraft: wichtigste Neuerung ist die Möglichkeit der Notimpfung trotz Nicht-
Impf-Politik, verbunden mit sinnvoller Verwertung des Fleisches

Fleischverwertung nach Impfung ist möglich, vgl. Einfuhr von (geimpftem)
Fleisch aus Südamerika

Erkrankungsrate sehr unterschiedlich, 1-40 % aller Tiere jeder Herde

· Wichtig: Mut zu rigorosem Durchgreifen, sehr schnelle Reaktion im
Interesse aller Hygiene-VO beim Schwein hilfreich, bei Rindern fehlt dgl.

· Im Seuchenfall wird Seuchenbestand eliminiert, Bestände im Umkreis
800-1000 m i.d.R. eliminiert (vor allem Schweine), Kontaktbestände
eliminiert oder strengstens isoliert, Sperrbezirk 3 km Beschilderung,
15 Tage stand still, nach 30 Tagen ohne Klinik Aufhebung der Sperre,
Beobachtungsgebiet 10 km

· Schäden: EU zahlt für ca. 60 % der wichtigsten Schäden (Milchvernichtung,
Tötung und Beseitigung der Tiere u.a.)

Aber: andere EU-Mitgliedsländer als Lobby gegen weiteren Import, andere
Drittländer mit Sicherheit Importstopp # Folgeschäden!
Notimpfung: innerhalb 24 Std. 100.000 Impfpackungen verfügbar, im
Impfgebiet 30 Tage "stand still"

· Problem im Seuchenfall: Verbraucheraufklärung, dass Verwertung von
Fleisch, Milch und den Produkten nicht ansteckend. Aber: Der Verbraucher
wird nicht logisch, sondern hysterisch reagieren # Aufklärung muss
bereits vor Seuchenausbruch erfolgen!

· Situation NRW: sehr hohe Viehdichte, Transitland, Nähe Niedersachsen
und zu Holland und Belgien; bei den derzeit schwierigen Rahmenbedingungen
würde Seuchenzug vielen Betrieben in NRW den Hals brechen (Größe und
Spezialisierung machen Betriebe risikoanfälliger)

· Finanzieller Schaden im Seuchenfall: Keulung oder Betriebssperre,
Vermarktungsverbote, Entschädigungslücken, entgangener Deckungsbeitrag,
Leistungseinbußen nach Wiedereinstallung, Tierarztkosten, Reinigung und
Desinfektion, Liquiditätsengpässe und Kapitalkosten, Abbruch von
Handelsbeziehungen

Ertragsausfall-Versicherung: besonders spezialisierte Sauenbetriebe haben
ohne Versicherung keine Chance; außerdem Betriebe mit dünner
Liquiditätsdecke, hoher Fremdkapitalbelastung, langfristigen
Pachtverträgen, mit wertvollen Zuchttieren und mit festen Lieferverträgen.
 



 

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