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AHO Aktuell - 20.03.2001

Ist die Strategie der Tierseuchenbekämpfung der EU noch zeitgemäß?

Stamping out - kann das alles Sein?


(BbT) - Große Tierseuchenereignisse halte Europa in Atem. Nach Jahren
relativer Ruhe wird das Gebiet der Europäischen Union von Tierseuchen
heimgesucht, von denen man glaubte, sie weitgehend im Griff zu haben.

1998 - Schweinepest in den Niederlanden: 9,8 Millionen Schweine, die
allermeisten davon gesund, wurden getötet und unschädlich beseitigt.

2000 - Schweinepest in Großbritannien: Hunderttausende von Schweinen
getötet.

2001 - Maul- und Klauenseuche in Großbritannien: Die Gesamtzahl der
getöteten und noch zu tötenden Schweine , Rinder und Schafe ist noch nicht
absehbar; sie wird die Millionengrenze deutlich übersteigen.

Die EU verfolgt - vor allem aus wirtschaftlichen Gründen - einen strikten
Kurs der Ausrottung der Erreger, der Eradikation der Seuchen. Das Ziel: Die
Tierbestände müssen frei von den Erregern der Seuchen sein. Ein vorbeugender
Schutz der Tierbestände durch Impfungen ist nicht zugelassen. Notimpfungen
als Seuchenbekämpfungsmaßnahmen sind mit einschneidenden Maßnahmen
hinsichtlich der Verwertung der geimpften Tiere verbunden.

Zeigt sich jetzt nicht, daß diese Strategie zu kurz greift? Ist nicht das
Ziel einer weltweiten Tilgung der Erreger von MKS und Schweinepest
Wunschdenken? Selbst wenn alle empfänglichen Nutztierbestände auf allen
Kontinenten erregerfrei zu bekommen wären (was angesichts der politischen
und wirtschaftlichen Situation in Afrika, Asien und auf dem Balkan
illusorisch ist), weiß man nur wenig über möglich Erregerreservoire in
Wildtieren. Die Bekämpfung der Schweinepest beim Wildschwein zeigt, daß
eine Eradikation der Seuche bei Wildtieren auf größte Schwierigkeiten
stößt.

Zunehmender internationaler Personen- und Warenverkehr läßt Entfernungen
bedeutungslos werden. Routinemäßige Grenzkontrollen können niemals
gewährleisten, daß kein erregerhaltiges Material eingeschleppt wird.
Erinnert sei hier nur an die Container-Toten von Dover oder die
Boot-Flüchtlinge nach Italien aus der Zeit des Krieges auf dem Balkan und
auch jetzt aufgrund der Aktivitäten von Schlepperbanden.
Grenzüberschreitender Verkehr von Personen und Waren ist und bleibt eine
ständig zunehmende Bedrohung unserer Tierbestände.

Angesichts dieser Situation ist das Bemühen, Europa frei von MKS und
Schweinepest zu halten, zum Scheitern verurteilt. Bei beiden Seuchen
handelt es sich um äußerst ansteckende Krankheiten, die sich in regional
dicht gedrängten Tierbeständen ohne Impfschutz explosionsartig verbreiten
können.

Eine Strategie, die allein darauf setzt, die Seucheneinschleppung zu
verhindern und die körpereigenen Kapazitäten des Immunsystems der Tiere
nicht intelligent nützt, beraubt sich eines sehr leistungsfähigen von der
Natur gegebenen Schutzmechanismus. Die Entwicklung von Impfstoffen, die
eine nterscheidung zwischen geimpften und natürlich infizierten Tieren
erlaubt, sogenannte Marker-Vakzinen, ist bei der Schweinepest schon weit
gediehen. Auch für die Maul- und Klauenseuche muß diese Entwicklung voran
getrieben werden. Die Intensivierung der Forschung und Entwicklung auf
dem Gebiet der Immunprophylaxe ist dringend geboten.

Die Entwicklung von Marker-Vakzinen ist aber nur dann sinnvoll, wenn
dieser Impfstoff im Bedarfsfall auch eingesetzt werden kann und darf. Die
derzeitige Strategie der EU, die jede vorbeugende Impfung ausschließt,
beruht auf einer Kosten-Nutzen-Analyse, die durch das Geschehen der letzten
Jahre äußerst fragwürdig geworden sein dürfte.

Aufbauend auf diese Ergebnisse und Erkenntnisse ist eine intelligente
mehrstufige Vorbeuge- und Bekämpfungsstrategie zu entwickeln und laufend
fortzuschreiben, die nicht nur "die große Keule" als einzige Maßnahme kennt
und die dazu führt, daß Hunderttausende oder gar Millionen von Tieren
getötet und vernichtet werden, nur weil sie für die Seuche empfänglich
sind. Ob sie wirklich infiziert waren, kann und will man bei dieser Art
von Bekämpfung gar nicht mehr abwarten.

Ein Umdenken - nicht zuletzt auch aus Gründen des Tierschutzes - ist
gefordert.


Bundesverband der beamteten Tierärzte (BbT)
Präsident Dr. Herbert W o h n,
Am Goldberg 18,
96215 Lichtenfels
Tel.: 09571/18232,
Fax: 09571/18123;
eMail
 



 

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