Aktuelle Meldungen  -  Nachrichten suchen  -  kostenloses Abo  -   Nachricht weiterempfehlen

 

AHO Aktuell - 13.03.2001

EU-Kommissar Byrne zu Verbraucherwünschen und Lebensmittelqualität


Eröffnungsansprache von David Byrne, EU-Kommissar für Gesundheit und
Verbraucherschutz, anlässlich des Rundtischgesprächs hoher Persönlichkeiten
zum Thema Lebensmittelqualität (Brüssel, 5. März 2001):

Zunächst möchte ich Sie hier bei der Europäischen Kommission willkommen
heißen und Ihnen dafür danken, dass Sie bereit waren, an diesem Runden
Tisch auf hoher Ebene zum Thema Lebensmittelqualität teilzunehmen.

In Gang gesetzt haben diese Initiative Franz (Fischler) und ich, weil
wir feststellen, dass die Verbraucher sich zunehmend Sorgen um die
Lebensmittelqualität machen. Diese Besorgnis ist natürlich zum Teil auf
die wiederholten Lebensmittelkrisen der letzten Jahre zurückzuführen.

Da nun aber die Verbraucher immer anspruchsvoller werden, legen sie immer
höhere Maßstäbe an und ist für sie die Frage, ob ihren tatsächlichen bzw.
manifesten Bedürfnissen auch wirklich entsprochen wird, von zentraler
Bedeutung.

Bestimmt wurde die Lebensmittelpolitik seit der Nachkriegszeit von der
Notwendigkeit, immer mehr und immer besser zu produzieren, um die
Lebensmittelversorgung zu sichern.

Heute freilich haben der allgemeine Überfluss wie auch das Überangebot
in der Versorgung mit Lebensmitteln zu einer schrittweisen Verlagerung
der Schwerpunkte der öffentlichen Politik im Sinne einer allmählichen
Abwendung von Leistung und Produktivität zugunsten von mehr Qualität und
Vielfalt in der Agrarnahrungsmittelwirtschaft geführt.

Allein schon die modernen Nahrungsmittel-Produktionsverfahren haben in der
Öffentlichkeit zu Fragestellungen geführt, die weit über Gesundheits- und
Sicherheitsaspekte unter Berücksichtigung ökologischer und ethischer Werte
bei der Agrarnahrungsmittelerzeugung hinausgehen und auch solche Themen wie
nachhaltige Entwicklung, Tierschutz und artgerechte Tierhaltung tangieren.

Als geboten erweist es sich, größeres Gewicht auf einen integrierten
Gesamtansatz zu legen, der den Aspekten der Sicherheit, Gesundheit und
Qualität von Lebensmitteln in wirtschaft5licher, ökologischer und
ethischer Hinsicht in sämtlichen Phasen der Produktionskette Rechnung
trägt.

Gedanken machen sollten wir uns über ein neues Nahrungsmittelproduktions-
bzw. -verbrauchsmodell, das weniger stark auf Output, stattdessen aber mehr
auf Befriedigung der Verbrauchererwartungen in puncto sicherer, gesunder
und schmackhafter Lebensmittel im Rahmen einer abwechslungsreichen
Angebotsvielfalt ausgerichtet ist. Anders ausgedrückt: Lebensmittel-
sicherheit und Lebensmittelqualität als Ziele dürfen nicht strikt
getrennt werden, sondern sind als interdependente Bestandteile eines
auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Lebensmittelproduktions- und -
verbrauchsmodells zu betrachten.

Von den Fragen, die uns Anlass zur Besorgnis geben, haben wir einige
bereits ausgemacht. Was genau ist Qualität? Wie sollen wir Qualität
definieren? Verbinden damit unterschiedliche Betroffenen auch
unterschiedliche Vorstellungen? Wie wirkt sich die geographische
Herkunft der Verbraucher auf das jeweilige Qualitätsverständnis aus?

Auch wenn sich Qualität nicht einheitlich definieren lässt, müssen
wir dennoch daraufhin arbeiten, zu einem Konsens in der Frage zu
gelangen, welches denn nun die Schlüsselfaktoren für Qualität sind.

Ebenso stellt sich die Frage nach der Position des Verbrauchers in
dieser komplexen Materie. Bei den modernen Produktionsverfahren
muss der Verbraucher an oberster Stelle stehen.

Nach meinem Feststellungen machen sich die Verbraucher zunehmend Sorge
darüber, dass ihren Erwartungen nicht entsprochen wird. Finden die
Interessen der Verbraucher denn in den Vorstandsetagen der Lebensmittel-
Multis überhaupt Gehör? Oder unterliegen die betroffenen Konzerne nicht
eher kurzfristigen Zwängen von Seiten der Aktionäre bzw. geht es ihnen
denn nicht auf längere Sicht einzig und allein um die Positionierung
ihrer Marken? Was steht in der Kontroverse zwischen Entwicklung nach-
haltiger "globaler" Marken einerseits und Lebensmittelqualität
andererseits auf dem Spiel?

Weiter stellt sich auch die heikle Frage des Verhältnisses zwischen
Preis und Qualität. Sind die Verbraucher bereit, mehr Geld für
höherwertige Produkte auszugeben? Wie viel mehr? Was garantiert ihnen
dann, dass sie tatsächlich qualitativ höherwertige Produkte erhalten?
Wird bei den heutigen Produktionsverfahren im Lebensmittelbereich etwa
gezielt auf Eigenschaften wie Schmackhaftigkeit und Nahrhaftigkeit
verzichtet?

Das sind Überlegungen, wie sie die Verbraucher heute EU-weit anstellen.
Ich bin aber sicher, dass die Verbraucher ebenso genau im Bilde darüber
sind, wie die Lebensmittelhersteller und der Lebensmittelhandel zu der
Thematik steht.

Soweit die Fragen, die Franz und mich im Grunde genommen veranlasst haben,
den heutigen Runden Tisch zu initiieren. Nachdem wir eine Problemstellung
von ganz besonderer Tragweite ausgemacht haben, geht es uns jetzt darum,
die Problematik gemeinsam mit den Endverbrauchern und sämtlichen Akteuren
der Nahrungsmittel-Produktionskette zu lösen.

Die anstehenden Fragen sind zwar zum Teil unkompliziert und eindeutig;
dennoch gehe ich davon aus, dass die Antworten auf diese Fragen nicht
einfach sein werden - speziell wegen der komplexen Zusammenhänge in der
heutigen Nahrungsmittelkette und wegen der hohen Erwartungen des modernen
Verbrauchers.

Von dem heutigen Rundtisch erwarte ich mir, dass es uns gelingt, die
angeschnittenen Fragen näher zu umreißen und eine Entscheidung darüber
herbeizuführen, wie es in der Angelegenheit weitergehen soll.

Quelle:

Eröffnungsansprache von David Byrne, EU-Kommissar für Gesundheit und
Verbraucherschutz, anlässlich des Rundtischgesprächs hoher
Persönlichkeiten zum Thema Lebensmittelqualität - Brüssel, 5. März 2001
 



 

  zum Seitenbeginn


© Copyright

AHO Aktuell ist ein Service von ANIMAL-HEALTH-ONLINE und @grar.de