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AHO Aktuell - 15.02.2001

Skandal: Illegale Masthilfsmittel auf Baby - Popos


Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Nord-Westdeutschlands
(ISN) in Damme übermittelt nachfolgende Pressemitteilung:

(ISN) - Im Nachrichtenmagazin "report aus München" vom
12.02.2001 berichteten die Autoren Klaus Wiendl und Marcello
Faraggi unter dem Titel "Immer neue Schweinereien: 250 Tierärzte
im Visier der Staatsanwaltschaften" von einem Arzneimittelskandal
ungeheueren Ausmaßes. Laut Aussage der Staatsanwaltschaft in
Verden sollten etwa 45 Tonnen illegale Masthilfsmittel an Tierärzte
geliefert worden sein, darunter die "hochgefährlichen und
krebserregenden Bakterienkiller Chloramphenicol, Metronidazol und
Dimetridazol."

Tatsächlich ermittelt die Staatsanwaltschaft zunächst nur wegen
eines Anfangsverdachtes gegen einen Arzneimittelhersteller. Es ist
noch nicht belegt, ob tatsächlich illegale Substanzen an Schweine
oder andere lebensmittelliefernde Tiere verabreicht wurden.

Gemäß unseren Informationen handelt es sich bei den Substanzen
in der genannten Größenordnung von 45 Tonnen fast
ausschließlich um Zinkoxid. Zinkoxid wird gewöhnlich als
lebensnotwendiges Spurenelement dem Futter von Hunden, Katzen
und Tieren in der Landwirtschaft zugemischt. Vegetariern wird der
regelmäßige Konsum von Zink - Pillen empfohlen, um die
schlimmsten Schäden, die durch den Verzicht auf Fleisch
entstehen, auszugleichen. Daneben verwendet man Zinkoxid als
Streumittel zur Desinfektion von Liege - und Laufflächen in
Tierställen und als Beimischung in Wandanstrichen. Wegen seiner
heilenden Eigenschaften und guten Verträglichkeit findet man
Zinkoxid auch in Heilsalben, Hämorrhoidenzäpfchen und in Cremes
und Pudern zur Pflege von Baby - Popos (jeder kennt
Penaten-Creme). Im begründeten Einzelfall ist es dem Tierarzt
gestattet, Zinkoxid zur Behandlung von Durchfallerkrankungen beim
Schwein zu verordnen. Zinkoxid ist kein Antibiotikum und trägt
deshalb nicht zur Selektion antibiotikaresistenter Bakterien bei. Wie
wissenschaftliche Untersuchungen belegen, entstehen durch
Zinkoxid keine für den Verbraucher bedenklichen Rückstände im
Fleisch.

Von den vorgenannten hochgefährlichen "Bakterienkillern" wurden
genau zwei Kilogramm reines Chloramphenicol und zusammen etwa
150 Kilogramm Metronidazol und Dimetridazol ausgeliefert.
Chloramphenicol, Metronidazol und Dimetridazol dürfen seit einigen
Jahren nicht mehr für lebensmittelliefernde Tiere eingesetzt werden.
Die Anwendung ist aus Gründen des vorbeugenden
Verbraucherschutzes auf die Humanmedizin und Kleintiere wie
Hunde, Katzen, Tauben, Ziervögel, Hamster, Reptilien und
Zierfische beschränkt.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Liefermengen und der
spezifischen Stoffeigenschaften erscheint der Einsatz bei
lebensmittelliefernden Tieren wie Schweinen und Kälbern eher
unwahrscheinlich. Reines Chloramphenicol schmeckt extrem bitter
und würde von Schweinen oder Kälbern mit dem Futter weder
gefressen noch gesoffen. Ein Fachmann würde hier der
Verbindung Chloramphenicol - Palmitat einsetzen, die diese
Verbindung relativ geschmacksneutral ist. Reines Chloramphenicol
eignet sich nach Expertenmeinung nur zur Behandlung von
Brieftauben und Zierfischen, da diese Tiere den extrem bitteren
Geschmack von reinem Chloramphenicol tolerieren.

Von den in Rede stehenden insgesamt 150 Kilogramm Metronidazol
und Dimetridazol wurden nachweislich 50 Kilogramm nach
Osteuropa exportiert. Zudem wurde eine weitere Teilmenge wegen
Überlagerung nachweislich fachgerecht entsorgt. Die verbleibende
Restmenge wurde über einen Zeitraum von einem Jahr in mehreren
kleineren Teilmengen an verschiedene Tierärzte ausgeliefert, so
daß eine kontinuierliche Behandlung einer Schweinedysenterie mit
einer üblichen Therapiedauer zwischen 14 und 21 Tagen auf Grund
der den Tierärzten zur Verfügung stehenden kleinen Mengen an
Dimetridazol und Metronidazol mehr als unwahrscheinlich erscheint.

Eine einfache Plausibilitätsprüfung und eine sorgfältige Recherche
der bekannten Fakten, hätte den report - Autoren Klaus Wiendl und
Marcello Faraggi zeigen müssen, daß in diesem Fall Schlagworte
und Redewendungen wie "Schweinemastskandal" oder "sie
pumpten tonnenweise Leistungsförderer ins Futter" völlig
unangebracht sind.

Zweierlei Maß

Gänzlich unerwähnt bleibt im besagten report - Bericht die
Tatsache, daß so heikle Arzneimittel wie Chloramphenicol und
Furazolidon in unseren Nachbarland Schweiz noch völlig legal bei
lebensmittelliefernden Tieren eingesetzt werden. Völlig
unverständlich ist das Verhalten unserer Politiker. Während man
sich händeringend vor der Kamera um den Verbraucherschutz
bemüht und reißerische Medienberichte ungeprüft für bare Münze
nimmt, werden von den gleichen Politikern Lebensmittelimporte aus
der Schweiz stillschweigend geduldet. Ist Schweizer
Chloramphenicol ungefährlich?

Erschreckend ist, mit welcher Leichtigkeit die Medien diese schlecht
recherchierten Inhalte ungeprüft in Sendungen oder Zeitungen
und wie schnell Staatsanwälte, Politiker und auch
Vertreter der Tierärztekammer sich vor der laufenden Kamera zu
haltlosen Aussagen hinreißen lassen, die unsere gesamte
Schweineproduktion in Misskredit bringt und den Verbraucher noch
weiter verunsichern. Richtigstellungen erfolgen selten und wenn,
dann nur im Hintergrund und wenig populär!

Anmerkung der AHO Redaktion.

Nach Recherchen von AHO wurden nicht 50 kg Metronidazol exportiert,
sondern mehr als 114 kg. Zudem hat die betroffene Firma zwei
Kilogramm Metronidazol an einen anderen Arzneimittelhersteller
verkauft
 



 

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