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AHO Aktuell - 07.02.2001

RKI begrüßt ein EU-weites Antibiotikaverbot in der Tiermast


(rki) "Antibiotika haben als Leistungsförderer in der Tiermast nichts zu
suchen", bekräftigt Professor Reinhard Kurth, Leiter des Robert Koch-
Instituts. Einen Vorschlag für ein EU-weites Verbot der noch zugelassenen
antibiotischen Leistungsförderer in der Tiermast hat der EU-Kommissar für
Verbraucherschutz, David Byrne, für Mitte des Jahres angekündigt, nachdem
kürzlich eine entsprechende Initiative der Bundesregierung von der Mehrheit
der Mitglieder des Agrarministerrates unterstützt worden war. "Damit sieht
sich das Robert Koch-Institut in seiner jahrelangen Vorreiterrolle gegen
den Antibiotikaeinsatz in der Tiermast bestätigt", sagt Institutsleiter
Kurth. Vor allem die molekularepidemiologischen Forschungen im Bereich
Wernigerode des Robert Koch-Institutes und im Nationalen Veterinärinstitut
in Kopenhagen haben die Übertragung von Antibiotikaresistenzen zwischen
Masttieren und Infektionserregern beim Menschen belegt. Übertragen werden
resistente Bakterien oder ihre Gene. Ein wichtiges Reservoir solcher
Resistenzgene ist die Tiermast, da bei einer systematischen Anwendung von
Antibiotika vor allem solche Bakterienstämme überleben und verbreitet
werden, die eine Resistenz besitzen.
Resistente, das heißt der Antibiotikabehandlung widerstehende
Krankheitserreger können vor allem für Patienten mit geschwächter
Immunabwehr oder in der Intensivmedizin lebensgefährlich werden. Die
Ergebnisse aus dem Robert Koch-Institut waren eine wesentliche
wissenschaftliche Grundlage für das 1996 von der Bundesregierung
ausgesprochene Verbot von Avoparcin. In den Jahren 1997 und 1998 untersagte
die EU-Kommission in der Europäischen Kommission den Einsatz von insgesamt
fünf Leistungsförderern (Avoparcin, Bacitracin, Spiramycin, Tylosin,
Virginiamycin).
Derzeit sind noch vier Antibiotika als Leistungsförderer erlaubt
(Avilamycin, Flavomycin, Salinomycin und Monensin). Zwar werden diese in
der Klinik nicht verwendet. Allerdings zeigen Untersuchungen von Guido
Werner in dem von Professor Wolfgang Witte geleiteten Fachgebiet
Nosokomiale Infektionen, dass strukurverwandte Substanzen eines
Leistungsförderers (Virginiamycin) in der Intensivmedizin Bedeutung als
Antibiotikum (Quinupristin/Dalfopristin aus der Antibiotikaklasse der
Streptogramine)erlangen können. In klinischen Isolaten von Patienten wurden
Erreger nachgewiesen, die gegen die neuen Streptogramin-Antibiotika bereits
resistent waren. In der Klinik konnten die resistenten Erreger aber nicht
entstanden sein, weil die Antibiotika dort noch gar nicht verwendet worden
waren. Die durch den Einsatz von Antibiotika in der Tiermast beim Erreger
verursachte Resistenz war also auf den Menschen übertragen worden. Eine
vergleichbare Situation besteht für das Oligosaccharid Avilamycin als
Leistungsförderer und die Substanz Everninomycin, deren Zulassung
allerdings gegenwärtig nicht weiterverfolgt wird.
"Wir sehen deshalb in der systematischen Anwendung antibakterieller
Wirkstoffe ein Risiko für die Resistenzentwicklung bakterieller
Infektionserreger", erklärt Wolfgang Witte.
Das Ende einer Antibiotikaanwendung in der Tiermast hat positive Folgen.
Ingo Klare in der Arbeitsgruppe in Wernigerode untersuchte vor und nach dem
Verbot von Avoparcin (einem so genannten Glykopeptid-Antibiotikum) die
Häufigkeit von glykopeptidresistenten Enterokokken. Enterokokken sind ein
normaler Bestandteil der Darmflora von Tieren und Menschen. Nur wenn die
Bakterien in andere Körperregionen gelangen und eine besondere
Empfänglichkeit, zum Beispiel bei Patienten in der Intensivmedizin,
hinzukommt, können die zu den Eitererregern zählenden Enterokokken
schwerwiegende Infektionen verursachen. Sind die Erreger gegen Antibiotika
resistent, lassen sie sich kaum noch wirksam behandeln. Die Resistenz
beruht auf der Übertragung von Genen, die der Bakterienzelle einen Schutz
gegen Avoparcin - und gegen strukturverwandte Antibiotika in der
Humanmedizin - verleiht.
Im Rahmen ihrer Studie hatten die RKI-Forscher 1994 bei zwölf Prozent der
(gesunden) Teilnehmer Enterokokken mit einer Resistenz gegen
Glykopeptid-Antibiotika gefunden. Im Spätsommer 1997 - eineinhalb Jahre
nach dem Avoparcin-Stopp in Deutschland - ließen sich die widerstands-
fähigen Erreger nur noch bei gut drei Prozent der gesunden Probanden
nachweisen. Damit besteht in geringerem Ausmaß die Gefahr eines
Einschleppens ins Krankenhaus.
Beispiele aus anderen Staaten zeigen, dass es ohne Leistungsförderer in der
Tiermast geht. Schweden zum Beispiel hat dies bereits 1988 verboten, in
Dänemark haben Geflügel- und Schweinezüchter auf freiwilliger Basis in den
vergangenen zwei Jahren auf Antibiotika als Masthilfe verzichtet.
"Ausgehend von den Erfahrungen in Skandinavien sollten die Agrar-
wissenschaften für Deutschland Fütterungs- und Haltungsbedingungen
formulieren, unter denen die Landwirte auf antibakterielle Substanzen
als Leistungsförderer verzichten können", fordert Wolfgang Witte. Eine
großangelegte Studie in Bayern Ende der Neunzigerjahre zeigt, dass beim
Verzicht auf antibakterielle Leistungsförderer ein Kilogramm
Schweinefleisch um weniger als zehn Pfennig teurer würde.
 



 

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