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AHO Aktuell - 01.02.2001

Antibiotika in der Geflügelhaltung in der Kritik


(aho) - Unter dem Titel >>Antibiotika für Hühner: "Das ist ein flächen-
deckender Menschenversuch"<< berichtet die in Österreich erscheinende
Zeitung "Die Presse" über den Einsatz des Antiinfektivums Enrofloxacin
beim Geflügel:

"Bei Hühnern ist die Situation wahrscheinlich noch schlimmer", berichtet
Gerhard Feierl, Bakteriologe des Instituts für Hygiene an der Universität
Graz der Zeitung. "Hier werden Antibiotika praktisch durchgehend verab-
reicht." Ein Tierarzt, der ungenannt bleiben will, bestätigt: "Meist
bekommen die Küken, gleich nachdem sie geschlüpft sind, Antibiotika ins
Wasser gemischt. Die wenigen, die das nicht am ersten Tag bekommen, haben
dann ab dem fünften Tag Antibiotika im Wasser; spätestens. Bis zum Brathendl
dauert es nur fünf Wochen; spätestens dann wird das Huhn, das auf 1,8
Kilogramm gemästet worden ist, geschlachtet."

Als besonders gefährlich erachtet Feierl nach Angaben der Zeitung , daß
den Hühnern meist ein Wirkstoff ins Wasser gemischt wird, mit dem auch
Menschen behandelt werden. Den Hühnern werden Antibiotika mit dem Wirkstoff
"Enrofloxacin" verabreicht; dieser wird von den Hühnern in "Ciprofloxacin"
umgewandelt. Exakt dieses "Ciprofloxacin" ist der heilende Bestandteil
des Antibiotikums Ciproxin, das vor allem in der Intensivmedizin beim
Menschen angewandt wird.

Die Presse berichtet weiter: "In Krankenhäusern gibt es immer mehr
Resistenzen. Und wir müssen die Dosis erhöhen", berichtet Wolfgang
Graninger, Universitätsprofessor und Vorstand der Abteilung für
Infektionen und Chemotherapie am AKH in Wien. Und Stefan Breyer, auch
er Universitätsprofessor und an der Infektionsabteilung des AKH: "Es
gibt gegen alle Antibiotika Resistenzen, und sie nehmen zu." Als
besonders gefährlich erachtet er, daß in der Tierzucht "niemand auf
die Dosierung schaut." Da werde an Tiere verabreicht, was "oft dem
gesamten Jahresbedarf in der Humanmedizin entspricht", so Breyer.
Der Grazer Bakteriologe Feierl, der mehrere Studien zu diesem Thema
erarbeitet hat: "Seit zehn Jahren findet, unfreiwillig, in ganz
Österreich ein flächendeckender Menschenversuch statt." Die praktisch
lückenlose prophylaktische Verabreichung von Antibiotika an Hühner
ist Folge einer Häufung von Salmonellen-Erkrankungen 1991. "Damals
gab es 13.500 gemeldete Salmonellen-Erkrankungen. Es wurde - typische
Anlaßgesetzgebung - in der ,Geflügel-Hygieneverordnung' bestimmt, daß
nur Hühner geschlachtet werden dürfen, bei denen keine Salmonellen
nachgewiesen werden können." Tatsächlich seien sie aber noch vorhanden.
Die Salmonellen wurden zwar kurzzeitig zurückgedrängt, doch um den
Preis, daß ein anderer Erreger - Campylobacter (CB), der ebenfalls
langwierige Durchfall-Erkrankungen beim Menschen hervorruft - durch D
auer-Beschuß mit niedrigen Medikamenten-Dosen resistent wird. Sie können
auch Salmonellen immer weniger anhaben.

Und: Auch beim Menschen bleiben die Medikamente immer öfter wirkungslos.
Gemeldet werden derzeit jährlich (in Österreich) 7000 Salmonellosen und
3300 CB-Erkrankungen. Feierl: "Dabei gibt es eine hohe Dunkelziffer:
Bei Salmonellose das Zehnfache, bei CB aber das 33fache." Abschließender
Kommentar von AKH-Mediziner Breyer: "Die Prophylaxe mit Antibiotika bewirkt
nichts - außer, daß Resistenzen gezüchtet werden."

Die Presse, Tagesspiegel, S. 13
 



 

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