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AHO Aktuell - 21.01.2001

BSE - eine aktuelle Bestandsaufnahme


Ergebnisse des Journalistenseminars der DGE
"Essen und Trinken 2000" vom 17.- 18. Januar 2000
in Fulda

Mittlerweile wird immer deutlicher, dass BSE in Deutschland
nicht mehr nur begrenzt auftritt, sondern die Zahl der positiv
festgestellten BSE-Fälle in den kommenden 4 bis 5 Jahren noch
stärker zunehmen wird. "Allerdings besteht die Hoffnung, dass die
Verbreitung früher als in Großbritannien zurückgehen wird, da
Schnelltests zur Verfügung stehen, um Bestände mit kranken
Tieren bereits vor dem Auftreten klinischer Symptome zu
erkennen, so Dr. Wolfgang Mields, Bundesinstitut für
gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin,
Berlin, auf dem gestrigen Journalistenseminars der Deutschen
Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) in Fulda. Der Experte
postulierte weiter: "Die einzige effektive Möglichkeit, die
BSE-Seuche einzudämmen besteht darin, den Erreger völlig aus
der Nahrungskette zu entfernen. Dazu müssen bäuerliche
Betriebe, Schlachthöfe und Fleischverarbeiter
Schutzmaßnahmen ergreifen".
Auch der Verbraucher ist aktiv gefordert. Er sollte bei Rindfleisch
auf solches aus Ökobetrieben oder mit Gütesiegeln
zurückgreifen und eine sorgfältige Auswahl nach Kennzeichnung
treffen. Milchprodukte gelten weiterhin als unbedenklich. Auf
eine (ovo)-lakto-vegetabile Ernährung oder Fleisch von Geflügel,
Fisch und Schwein könne ebenfalls ausgewichen werden.

Vorkommen von BSE

BSE tritt in Europa nicht mehr nur begrenzt auf, sondern ist in
der gesamten Europäischen Union verbreitet. Die einzigen
Länder der Union, in denen BSE bisher nicht nachgewiesen
wurde, sind Schweden, Finnland und Griechenland.
Von den BSE-Fällen betroffen sind neben Großbritannien, Irland,
Frankreich und Deutschland auch die Niederlande, Belgien,
Dänemark, Italien, Spanien, Luxemburg, Liechtenstein und die
Schweiz.
Als gesicherter gilt Hauptverbreitungsweg in allen Nationen der
unkontrollierte Handel der illegale und verbotene Einsatz von
nicht ausreichend inaktiviertem Tiermehl. Das zeigt auch die bis
1993 ansteigende Anzahl und danach abfallende Kurve der
aufgetretenen BSE-Fälle in Großbritannien. Dass die Zahl der
Fälle nach dem 1988 in Großbritannien erfolgten Verbot der
Tiermehlverfütterung einige Jahre weiter anstieg, 1993 etwa
37.000 gegenüber etwa 1800 Fällen im Jahr 2000, erklärt sich
durch die Inkubationszeit von 4-5 Jahren.

Übertragungswege von BSE

Als gesicherte Übertragungswege gelten kontaminierte
Rinderkraftfutter. Milchaustauscher für Kälber werden derzeit als
Infektionsquelle untersucht. Daneben gilt die Übertragung vom
Muttertier auf das Kalb als gesichert. Diskutiert werden eine
Übertragung über Weideflächen, Insekten oder eine
Übertragung von Rind zu Rind. Gesicherte Daten liegen dazu
nicht vor. Untersuchungen mit jetzigen Methoden geben jedoch
keinerlei Anhaltspunkte für derartige Übertragungswege.

Schutzmaßnahmen in bäuerlichen Betrieben

Der Rinderpass und zwei Ohrmarken begleiten das Tier von der
Geburt bis zum Schlachthof. Dies ermöglicht eine genaue
Überprüfung des Lebensweges und der Herkunft. So können
bäuerliche Betriebe Tiere aus Beständen zukaufen, in denn kein
BSE-Fall auftritt oder sorgfältig aus Regionen auswählen, in
denen der Befall weniger häufig vorkommt.
Das Verbot der Verfütterung von Tiermehl an Rinder gilt seit
1994. Damit bäuerliche Betriebe sicher sein können, dass sie
tiermehlfreies Kraftfutter verwenden sind jedoch umfassende
staatliche Futtermittelkontrollen notwendig. Zum frühzeitigen
Erkennen klinisch auffällige Rinder, ist eine Schulung der
Landwirte für die sorgfältige Beobachtung der Krankheitszeichen
notwendig, vermittelte Dr. Mields. "Sobald ein Rind BSE hat,
kommt aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes
nur die Tötung des Gesamtbestandes in Frage". Dies ist
notwenig, da die Infektion nach heutigem Wissen durch infiziertes
Futter erfolgt und auch die übrigen Tiere das Futter
aufgenommen haben.

Schutzmaßnahmen auf dem Schlachthof

Als wichtigste Schutzmaßnahme für den Verbraucher müssen
als Risikomaterial geltende Schlachteile (wie beispielsweise Hirn,
Rückenmark, Augen) entfernt und beseitigt werden. Das
Probenmaterial für den BSE-Schnelltest muss entnommen und
untersucht werden. Die Freigabe der gesamten Tagesproduktion
an Schlachtkörpern kann erst erfolgen, wenn ein negatives
Testergebnis vorliegt. Schlachtkörper, die nach einem im
Schnelltest nicht eindeutig negativ getesteten Tier vor der
Reinigung und Desinfektion in derselben Schlachtlinie
geschlachtet wurden, müssen unschädlich beseitigt werden.
Gegebenenfalls erfolgt eine Vernichtung der gesamten, nach
dem befallenen Rind geschlachteten Tagesproduktion, um eine
Kontamination auszuschließen.
Zukünftig muss die sorgfältige Lebendbeschau der Tiere im
Hinblick auf klinische Anzeichen von BSE und die Kontrolle und
Registrierung der Rinderpässe verstärkt werden. Auch die in
Deutschland übliche Methode der Schlachttierbetäubung mit
dem Bolzenschussapparat sollte laut Dr. Mields zukünftig nicht
mehr eingesetzt werden. Bei der in Deutschland bei Rindern vor
der Schlachtung üblichen Bolzenschussbetäubung durchschlägt
ein Metallbolzen den Schädelknochen, dringt in das Gehirn ein
und zerstört dieses teilweise. Hirnpartikel können sich lösen,
über das Blut in Herz und Lunge gelangen und sich dort
festsetzen. Dr. Mields fordert die Entwicklung anderer
Betäubungsmittel wie z.B. die Elektrobetäubung. Die Entwicklung
entsprechender Anlagen, die sich auch für den Einsatz in Mittel-
und Kleinbetrieben eignen sollten, müsse vorangetrieben
werden. Derzeit gebe es dazu jedoch noch keine praktikable
Alternative. Auch sollte laut Dr. Mields die bisher übliche und
gesetzlich vorgeschriebene Spaltung der Wirbelsäule zukünftig
nicht mehr erfolgen, da dadurch eine Verteilung infektiösen
Materials auf andere Schlachtkörper möglich sei. Die
vorgeschriebene Zwischendesinfektion mit Heißwasser und die
Schlussdesinfektion müssen aus hygienischen Gründen
beibehalten werden. Zur Inaktivierung von BSE-Erregern
reichen diese Maßnahmen aber nicht aus, so Dr. Mields weiter.

Wie kann BSE festgestellt werden - Verfahren und Tests

Die klassischen BSE-Nachweis-Verfahren wie der
Infektionsversuch, die Histologie die Elektronenmikroskopie oder
herkömmliche immunologische Verfahren, sind im
Routineschlachtbetrieb nicht einsetzbar. Aus diesem Grund
wurden die auf immunologischer Grundlage arbeitenden
Schnelltests entwickelt.
Der immunologische Nachweis des krankmachenden
Prion-Proteins mit den "BSE-Schnelltests" ist nur im Gehirn
möglich. Zur Bestätigung klinischer Krankheitsfälle bei Tieren ist
er sicher, da sich beim kranken Tier im Gehirn genug Prionen
angesammelt haben. Negative Testergebnisse bei Schlachttieren
bedeuten jedoch nicht, dass sie BSE-frei sind. Ein infiziertes Tier
kann durchaus eine Anzahl von Prionen im Gehirn haben, die
unter der Nachweisgrenze liegen. Die Schnelltests können
BSE-Infektionen bei Rindern teilweise schon vor dem Ausbruch
klinischer Symptome anzeigen. Ein Nachweis ist bis zu 6 Monaten
vor Krankheitsausbruch möglich. Die
Nachweiswahrscheinlichkeit ist bei Tieren über dem 30.
Lebensjahr am höchsten. Bei derzeit rund 180.000 klinisch an
BSE erkrankten Tieren in Großbritannien waren bislang nur rund
50 Tiere (0,03 %) jünger als 30 Monate. Mit einem Nachweis bei
Tieren zwischen dem 24. und 30. Lebensmonat sei daher eher
selten zu rechnen, erläuterte Dr. Mields. "Aus Sicht des
Verbraucherschutzes kommt es aber auf jedes gefundene
erkrankte Tier an. Deshalb ist es sinnvoll, die BSE-Tests auf
Tiere die 24-30 Monate alt sind, auszuweiten. Bei einer weiteren
Absenkung des Testalters ist nur äußerst seltenen mit positiven
Befunden zu rechnen. Ein praktikabler BSE-Test am lebenden
Tier ist trotz Ansätzen in den nächsten 3 bis 4 Jahren nicht in
Sicht", so der Experte weiter.

Schutzmaßnahmen bei Fleischverarbeitung und -angebot
Wichtigste Maßnahme ist das seit Oktober geltende Verbot der
Verarbeitung von Risikomaterial sowie das seit Dezember
bestehende Verbot der Verarbeitung von Separatorenfleisch.
Verstärkte Kontrollen, bessere Überwachung und eine
verbesserte Kennzeichnungspflicht in Bezug auf Herkunft und
Zusammensetzung von der Fleisch und Fleischwaren sei laut Dr.
Mields notwendig.

Schutzvorkehrungen des Verbrauchers

Der Verbraucher sollte bei Rindfleisch auf solches aus
Öko-betrieben oder mit Gütesiegeln zurückgreifen, auf die
Kennzeichnung achten und dann eine sorgfältige Auswahl
treffen.
Laut Dr. Mields erfolge die Rinderhaltung in Südamerika,
Australien oder Neuseeland hauptsächlich in Weidemast. Dort
seien bisher keine BSE-Fälle aufgetreten, aber es sei auch nicht
getestet worden.
Im Hinblick auf die Frage, ob der Verbraucher weiterhin auf
Milch- und Milchprodukte ausweichen könnten, äußerte sich Prof.
Dr. Paul Teufel, Leiter der Bundesanstalt für Milchforschung:
"Solange keine neueren experimentellen Erkenntnisse
vorliegen, ist davon auszugehen, dass Milch mit sehr großer
Wahrscheinlichkeit unbedenklich ist". In den letzten Tagen waren
Zweifel an der Unbedenklichkeit von Milch und Milchprodukten
geäußert worden, weil eine Übertragung von Prionen über das
Eutergewebe in die Milch nicht auszuschließen sei. Die
erhobenen Zweifel gründen sich auf Überlegungen, dass diese
durch Lymphzellen und Lymphwege weiterverbreitet werden
könnten. Daneben wurde die Nachweisempfindlichkeit von
"Mäusetests" in Frage gestellt, die Mitte der 90er Jahre im
Vereinigten Königreich zur Klärung der Frage eines möglichen
Risikopotenzials von Milch durchgeführt wurden. Untersuchungen
hatten ergeben, dass weder Milchdrüsengewebe noch Milch von
an BSE erkrankten Tieren, die direkt ins Gehirn von 275
Mäusen verabreicht wurden, zu Erkrankungen führten.
Laut Bundesanstalt für Milchforschung seien für eine fachliche
Bewertung aber nicht nur die Mäusetests, sondern auch Befunde
aus dem Vereinigten Königreich ausschlaggebend: Alle 193
Kälber, die in Ammenhaltung in 80 Herden von 106 an BSE
erkrankten Kühen gesäugt wurden, blieben gesund. Diese Tiere
seien so lange gehalten worden, dass nach möglicher Infektion
eine Erkrankung sich hätte ausbilden können, so die
Bundesanstalt. "Die Daten seinen international bewertet und
akzeptiert. Der wissenschaftliche Lenkungsausschuss der EU
stütze sich auf diese Erkenntnisse mit seiner Aussage, dass
Milch als Risikofaktor ausgeschlossen werden könne".

Ist Fleisch anderer Tiere eine Alternative?

Schweinfleisch gelte laut Dr. Mields als unbedenklich, da bisher
bei Versuchen mit infiziertem Tierfutter keine Erkrankung erfolgt
sei und darüber hinaus in der Regel nur das Fleisch junger Tiere
(ca. 4 Monate alt) in den Handel kommt. Nur bei gleichzeitiger
Fütterung, Verimpfung ins Gehirn, intravenöser Verabreichung
und Verbringung infizierten Materials in die Bauchhöhle seinen
nach 5 Jahren Lebensdauer der Versuchsschweine erkrankt.
Werden Schafe mit dem BSE-Erreger vom Rind infiziert, zeigen
sie Anzeichen von Scrapie, einer BSE ähnlichen Krankheit beim
Schaf. Scrapie ist nicht auf den Menschen übertragbar. Aber
klinisch ist nicht erkennbar, ob ein infiziertes Schaf mit dem
Scrapie- oder mit dem BSE-Erreger infiziert wurde. Da nicht
ausgeschlossen werden kann, dass sich Schafe mit
BSE-kontaminiertem Tierfutter infiziert haben, gilt derzeit
Schaffleisch nicht als risikofrei.
Bei freilaufendem und in Gattern gehaltenem Wild ist in den USA
eine der BSE ähnliche Krankheit bekannt. Ob sie auf den
Menschen übertragbar ist, ist nicht bekannt. Diese Erkrankung
wurde in Europa nie festgestellt. Laut deutscher Produzenten
von Wildfleisch wurde Gatterwild in Deutschland nicht mit
Tiermehl gefüttert.

Risikomaterial in Lebensmitteln - Was bringen die Tests

Hirn und Mark von Rindern unter 12 Monaten sowie von
anderen Tieren wie beispielsweise Geflügel oder
Schweinefleisch gelten nicht als Risikomaterial. "Derzeitige
Nachweistests zur Verwendung von Risikomaterial in
Wurstwaren oder anderen Lebensmitteln könnten weder nach
Alter der Tiere noch danach, von welcher Tierart das Material
stammt, unterscheiden. Daher sind diese Tests nicht praktikable
und wenig aussagekräftig, so Dr. Mields. Wegen der offenen
wissenschaftlichen Fragen zur Übertragung und zur Ausbreitung
des BSE-Erregers empfiehlt das Bundesinstitut für
gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin,
Berlin, die Definition bestimmter Körperteile als "spezifiziertes
Risikomaterial" aus Vorsorgegründen künftig ohne
Altersbeschränkung auf alle Rinder anzuwenden und zwar in
allen Ländern, in denen BSE-Fälle aufgetreten sind.

DGE spezial 2/2001 vom 19.01.2001
© 2001 Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.
 



 

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