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AHO Aktuell - 29.12.2000

Bayern beschließt Maßnahmebündel zur BSE-Bekämpfung


(aho) - Ein Vier-Säulen-Programm zur Eindämmung des BSE-Risikos hat
heute der Kabinettsausschuss unter Leitung von Ministerpräsident Dr.
Edmund Stoiber beschlossen. Das Konzept enthält ein verstärktes
Kontrollregime von der Futtermittelherstellung über die Lebensmittel-
produktion bis zu Lebensmittelprüfungen an der Ladentheke, den
Ausbau der Forschung zu BSE von Übertragungswegen bis zu neuen
Testmethoden, eine Verstärkung des Verbraucherschutzes und Hilfen
für die Landwirtschaft. Ministerpräsident Stoiber hat die Einrichtung
eines Landesamtes für Lebensmittelsicherheit angekündigt. Dort sollen
die Zuständigkeiten für die Lebensmittelkontrolle und die Lebensmittel-
herstellung gebündelt werden.

Im einzelnen hat der Kabinettsausschuss zur Eindämmung einer Ausbreitung
von BSE und zur Unterstützung der in Not geratenen Landwirte folgendes
Maßnahmebündel beschlossen:

1.Verbesserte Futtermittelkontrollen

- Die Untersuchungskapazitäten bei der Kontrolle von Futtermitteln
im Rinderbereich werden im Vergleich zum Probenumfang von 1999
verzehnfacht, künftig ca. 5.000 Proben pro Jahr.

- Der Bayerische Landwirtschaftsminister hat am 23. Dezember 2000 die
noch lagernden Futtermittelpartien gesperrt, bis sie schadlos entsorgt
werden können. Die Staatsregierung empfiehlt den Landwirten, auch die
vor dem 2. Dezember 2000 produzierten tiermehlhaltigen Futtermittel
nicht mehr in der Fütterung an Nichtwiederkäuer zu verwenden.

- Den Landwirten wird eine freiwillige und kostenlose Untersuchungs-
möglichkeit bei ausgewählten Futtermittellabors angeboten. Die
Kostenerstattung erfolgt durch direkte Rechnungsstellung zwischen
Labor und dem Landwirtschaftsministerium.

- Bayern wird beim Bund auf die offene Deklaration, die Einführung
einer Positivliste von Futtermitteln sowie eine Verschärfung des
Bußgeldrahmens im Futtermittelrecht drängen.

- Das für die Verstärkung der Futtermittelkontrollen notwendige
Personal wird bereitgestellt.

- Die Bayerische Staatsregierung strebt des weiteren eine freiwillige
Vereinbarung mit der bayerischen Fischwirtschaft an, um die
Verfütterung von Fischmehl an Fische in bayerischen Teichanlagen
auszuschließen.

2. EU-weite Entfernung von Risikomaterial

Die Staatsregierung wird sich beim Bund dafür einsetzen, dass die
Entfernung von Risikomaterial auf

- alle Altersklassen bei Rindern,

- auf die gesamte Wirbelsäule, Darm und Milz

- sowie auch auf Schafe und Ziegen

ausgedehnt wird.

3. Tiermehl

- Bayern wird erneut eine Bundesratsentschließung einbringen, die ein
europaweites, zeitlich unbegrenztes Verfütterungs-, Verwertungs- und
Verbringungsverbot von Tier- und Fischmehl zum Ziel hat. Für den Fall,
dass ein umfassendes, europaweites und unbefristetes Tiermehlverbot
nicht durchgesetzt werden kann, fordert Bayern den Bund auf, ein
Importverbot für Tiermehl und tiermehlhaltige Futtermittel zu erlassen.

- Bayern fordert vom Bund die Einführung einer Verbrennungspflicht
von Tiermehl.

- Die Staatsregierung fordert die Betreiber der Tierkörperbeseitigungs-
anlagen auf, freiwillig das produzierte Tiermehl zügig der Verbrennung
zuzuführen und andere nicht-thermische Verwendungen auszuschließen.
In Bayern stehen die für die unschädliche Beseitigung des Tiermehls
notwendigen Verbrennungskapazitäten in ausreichendem Umfang zur
Verfügung.

4. BSE-Tests

- Bayern wird ab 1. Januar 2001 bei allen gefallenen und verendeten
Rindern lückenlos weit über die gesetzliche Anforderung hinaus einen
BSE-Test vornehmen und die dafür notwendigen erheblichen zusätzlichen
Personalkapazitäten zur Verfügung stellen. Im übrigen bleibt es bei
den lückenlosen BSE-Schnelltests bei Schlachtrindern über 30 Monaten
und den freiwilligen Tests ab 24 Monaten.

Im Geschäftsbereich des Gesundheitsministeriums wird dazu eine
personelle Verstärkung zur Durchführung zusätzlicher Untersuchungen
auf BSE vorgenommen. Zudem wird eine entsprechende Sachausstattung
der Landesuntersuchungsämter zur Durchführung dieser zusätzlichen
Untersuchungen gewährleistet.

- Bayern fordert die Bundesregierung auf, freiwillige BSE-Tests für
Schafe, Ziegen und Wild zu prüfen.

5. Verbesserter Verbraucherschutz

- Die Staatsregierung wird ein Landesamt für Lebensmittelsicherheit
einrichten und dort die Kompetenzen des Verbraucherschutzes im
Lebensmittelbereich bündeln.

- Die Projektgruppe Verwaltungsreform wird federführend beauftragt
zusammen mit den betroffenen Ressorts die möglichen Defizite
ufzuzeigen und dem Ministerrat bis Ende März 2001 Verbesserungs-
vorschläge zu unterbreiten.

- Zur Verbesserung des Verbraucherschutzes wird u.a.

* die staatliche Lebensmittelüberwachung ab sofort einen
Kontrollschwerpunkt bei Wurstwaren setzen,

* beim Gesundheitsministerium zur weiteren Diskussion der
BSE-Problematik eine Verbraucher-Runde einberufen.

6. Forschungsförderung

Staatsminister Zehetmair wird beauftragt zusammen mit den
einschlägigen wissenschaftlichen Institutionen ehestmöglich ein
Forschungskonzept vorzulegen, das folgende Schwerpunkte enthalten
könnte:

- Grundlagenforschung zu Prionproteinen,

- Epidemiologie und Diagnostik der Creutzfeld-Jakob-Erkrankungen
beim Menschen, insb. auch "neue Variante", Testverfahren im Blut
von Patienten,

- Erforschung eventueller Verbreitungswege beim Menschen,

- Therapieforschung beim Menschen,

- Erforschung neuer und Verbesserung vorhandener Testverfahren beim
Rind insbesondere auch am lebenden Tier,

- Erforschung von Verbreitungswegen des Erregers über Tierfutter,
öden etc.,

- Überprüfung genetischer Faktoren bei der Entstehung von BSE,

- Erforschung der Möglichkeit der Übertragung von BSE auf andere
Tierarten,

- Entwicklung von Testmethoden bei Lebensmitteln tierischer Herkunft.

Die Staatsregierung hat hierzu bereits 10 Millionen DM zur Verfügung
gestellt. Sie fordert Bundesregierung und EU auf, die Forschungs-
anstrengungen ebenfalls deutlich zu verstärken und die Mittel im
Rahmen der Forschungsförderprogramme entsprechend zu verstärken.

Wenn es aus Sicht der Wissenschaftler notwendig ist, werden zu
wissenschaftlichen Zwecken ausgewählte Tiere aus BSE-Beständen unter
Quarantänebedingungen gehalten.

7. Problematik der Tötung von BSE befallender Rinderbestände

- Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Antrag mit dem Ziel
an den Wissenschaftlichen Lenkungsausschuss bei der EU zu richten,
dass dieser prüfen lässt, ob nicht das Schweizer Verfahren der
Kohortenkeulung EU-weit übernommen werden kann.

- Die Tiere aus BSE-befallenen Beständen sind zur seuchenrechtlichen
Prävention zu keulen, solange nicht eine anderweitige europäische
Lösung gefunden ist.

- Wenn es aus Sicht der Wissenschaftler notwendig ist, werden zu
wissenschaftlichen Zwecken ausgewählte Tiere aus BSE-Beständen
unter Quarantänebedingungen gehalten.

8. Hilfen für die Landwirtschaft

- Die Staatsregierung stellt 12 Millionen DM für die unmittelbar
und mittelbar von der BSE-Krise betroffenen landwirtschaftlichen
Betriebe zur Verfügung.

- Im Rahmen einer Notstandsbeihilfe wird den unmittelbar betroffenen
Landwirten zusätzlich zu dem aus der Tierseuchenkasse erstatteten
gemeinen Wert der getöteten Tiere und den Tötungs- und Desinfektions-
kosten auch der weitergehende Schaden bis zu einer max. Höhe von
75 Prozent erstattet. Dies betrifft insbesondere Einbußen durch
Milchgeldausfall, Kosten für die Wiederherstellung der Leistungs-
fähigkeit des Milchviehbestandes sowie erhöhte Anschaffungskosten
für die zuzukaufenden Milchkühe.

Das Landwirtschaftsministerium wird Abschlagszahlungen vor der
endgültig ermittelten Höhe der Notstandsbeihilfe gewähren.

- Ebenfalls im Rahmen einer Notstandsbeihilfe sollen die mittelbar
betroffenen rinderhaltenden Betriebe, insbesondere die spezialisierten
Rindermastbetriebe im Falle einer tatsächlichen Existenzgefährdung
unterstützt werden. Die notwendigen Detailregelungen werden derzeit
mit der EU und dem Bund abgestimmt.

- Darüber hinaus werden in einer ganzen Reihe von Förderprogrammen
Ausnahmeregelungen bei der Förderabwicklung ermöglicht. Bei der
Frage der Anrechnung der Futterflächen hat das Landwirtschafts-
ministerium bereits eine Zusage erreicht, die für die bayerische
Landwirtschaft Prämien in einer Gesamthöhe von 5 bis 6 Millionen
DM sichert.

- Das Staatsministerium der Finanzen wird steuerliche Billigkeits-
maßnahmen, wie Erlass oder Stundung von Steuern, für die unmittelbar
betroffenen Betriebe prüfen.

- Die Staatsregierung erwartet, dass die Bundesregierung ihrerseits
ein nationales Sofortprogramm für alle von der BSE-Krise betroffenen
Wirtschaftskreise auflegt und bei der EU für weitere marktentlastende
Maßnahmen auf dem Rindfleischsektor eintritt.

9. Runder Tisch am 8. Januar 2001

Der Ministerpräsident wird anlässlich der aktuellen BSE-Entwicklung
zu einem Runden Tisch-Gespräch am 8. Januar 2001 alle in Bayern
betroffenen Verbände und Institutionen einladen, um die gegenwärtige
Situation zu analysieren, Perspektiven zu erörtern, sowie kurz- und
mittelfristige Strategien zur Bewältigung der BSE-Problematik zu
entwickeln. Dabei sollen unter anderem

- Belange der artgerechten Fütterung und Haltung in der
Landwirtschaft angesprochen werden, z.B. Kälberfütterung
mit Milchaustauscher,
- eine Selbstverpflichtung der Futtermittelhersteller zur sofortigen
Deklaration der Inhaltsstoffe erörtert,
- die Einführung eines BSE-Testsiegels im Handel geprüft werden.



Anhang:

1. Ergänzende Stellungnahme von Landwirtschaftsminister Josef Miller:

Die Viehverkehrsverordnung hat seit 20.03.1994 die Verfütterung an
Wiederkäuer in Deutschland verboten. Am 27.06.1994 hat die EU-
Kommission dieses klare Verbot aufgeweicht. Diese Kommissionsent-
scheidung wurde 1994 bzw. 1997 in nationales Recht umgesetzt. Die
Viehverkehrsverordnung aufgrund dieser EU-Vorgaben hat danach zwar
das Verfüttern von Tiermehl aus Säugetiergewebe verboten, nicht
jedoch Geflügelmehl und Fischmehl sowie Bluterzeugnisse. Diese
Bestandteile konnten wegen der EU-Vorgaben im Futtermittel
zulässigerweise enthalten sein. Eine Unterscheidung zwischen Tiermehl
aus Säugetieren und dem zulässigen Geflügel- und Fischmehl ist im
Analyseverfahren aber erst ab einer Konzentration von 0,5 Prozent bzw.
1 Prozent möglich. Die mögliche Zulassung von Geflügel- und Fischmehl
durch die EU hat gerade deshalb dazu geführt, dass ein Nachweis von
Tiermehl aus Säugetiergewebe im Futtermittel bis zur genannten
Konzentration nicht möglich war. In Bayern war nur eine Probe über
der Nachweisgrenze.

2. Ergänzende Stellungnahme von Gesundheitsministerin Barbara Stamm:

Das EU-Untersuchungsprogramm für gefallene Tiere schreibt Bayern
pro Jahr 195 Stichproben vor. Bayern hat das Stichprobensoll
erfüllt. Im Jahr 2000 waren es sogar 700 Stichproben.

Zur Tiermehlerhitzung

- Die Bedingungen für die Herstellung von Tiermehl sind EU-rechtlich
vorgeschrieben: 133 Grad, 3 bar Druck, 20 Minuten.

- Der Betreiber der TBA ist verpflichtet, die diesbezüglichen
Kontrollstreifen täglich zu kontrollieren und abzuzeichnen. Er hat
außerdem jede Woche Tiermehlproben an Untersuchungslabors zur
Analyse einzusenden.

- Die Veterinärbehörden kontrollieren die Anlagen mindestens
einmal monatlich: Augenmerk auf die Kontrollstreifen; Abzeichnung;
Entnahme von Tiermehlproben an verschiedenen Stellen der Anlage,
Testung durch Landesuntersuchungsämter. Landesuntersuchungsämter
untersuchen bakteriologisch nach den Vorschriften der EU.

- Im Jahr 1999 wurden bei den zwei Landesuntersuchungsämter
insgesamt 635 Tiermehlproben nach der EU-Referenzmethode
untersucht. In vier Fällen wurden Sporen hitzeresistenter
Bakterien gefunden. Die Ursachen wurden ermittelt und abgestellt,
das vorhandene Tiermehl wurde erneut dem ordnungsgemäßen
Produktionsverfahren unterworfen.

- In keinem dieser vier Fälle lag die Ursache für den
bakteriologischen Befund im technischen Bereich. Als Ursache
wurde in drei Fällen eine nachträgliche Kontamination ermittelt,
in einem Fall lag ein Bedienungsfehler vor.

Bericht aus der Kabinettsausschusssitzung: 29. Dezember 2000
 



 

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