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AHO Aktuell - 13.12.2000

BSE: Mut zur Wahrheit


(eule) BSE ist ein gesundheitspolitisches Desaster, das ähnliche
panikartige Reaktionen auslöste wie 1986 der Unfall im Atomkraftwerk
Tschernobyl. Nachdem ab 1984 vermehrt eine unbekannte neurologische
Erkrankung bei Rindern in britischen Kuhställen auftrat, warteten
die mit Problemen überlasteten Agrarpolitiker erst einmal ab und
unterließen die notwendigen Maßnahmen, um die Ausbreitung zu
verhindern. Die Zahl der infizierten Rinder blieb ebenso im Dunkeln
wie die Infektionsquellen. Der Staat förderte die Forschung nur
zögernd, getreu dem Motto "was ich nicht weiß, macht mich nicht
heiß". Zu groß war offensichtlich die Sorge vor dem Zusammenbruch
des Rindfleischmarktes.

Das Ergebnis dieser Politik: Eine Industrie wurde vernichtet, die
Gesundheit junger Menschen aufs Spiel gesetzt, der Verbraucherschutz
untergraben und ungesetzlichem Verhalten Vorschub geleistet. Den
Experten wird misstraut und der Regierung nicht mehr geglaubt.

Dachte man anfangs, die Krankheit sei mit dem Tiermehl von Scrapie-
kranken Schafen auf die Rinder übertragen worden, musste man diese
Hypothese bald aufgeben, weil es im Tierversuch nicht gelang, mit
Scrapie beim Rind BSE auszulösen. Als Infektionsquelle wurde
schließlich Fleisch- und Knochenmehl genannt, das aus Rinderkadavern
hergestellt worden war.

Bei der heißen Diskussion um das Fütterungsverbot für Tiermehl
geriet die plausibelste Ursache der Epidemie völlig in den Hintergrund:
Um Milchleistung und Muskelansatz zu verbessern, war das britische
Zuchtvieh mit Wachstumshormonen behandelt worden. Die Hormone stammten
aus Hypophysen von Schlachtrindern. Eine einzige Hypophyse mit BSE
würde vollkommen ausreichen, um eine Katastrophe auszulösen, da bei
einer Injektion minimale Mengen zur Ansteckung genügen. Da es sich um
Zuchtvieh handelte, gaben die Tiere ihre Krankheit an die nächste
Generation weiter. Das führte zu einer rasanten Durchseuchung der
britischen Rinderbestände.

Ob nun die Verfütterung von infiziertem Fleischmehl zur weiteren
Verbreitung beigetragen hat, ist noch offen. Auch hier gibt es eine
alternative Erklärung: Demnach wirkte die Anwendung eines
Organophosphor-Pestizids als Potentiator. Zur Bekämpfung der
Dasselfliege gossen die Farmer ungereinigtes Phosmet ihrem Vieh
die Wirbelsäule entlang. Technisches Phosmet ist neurotoxisch.

Auch der Übertragungsweg auf den Menschen ist bis heute ungeklärt.
Inzwischen wird auch diskutiert, dass nicht der Fleischverzehr im
Vordergrund stand, sondern Impfstoffe, die unter Verwendung von
Hirn erzeugt wurden.

Um den aktuellen oder auch zukünftigen Problemen bei der
gesundheitlichen Beurteilung von Lebensmitteln besser begegnen zu
können, fordert der Autor: die Tiere mit ihrem natürlichem Futter
zu ernähren kranke Tiere aus der Nahrungskette zu entfernen die
strikte Trennung der Zuständigkeiten von Gesundheits- und
Wirtschaftspolitik den Aufbau einer internationalen Datenbank für
epidemiologische Forschungen die rechtzeitige Förderung der Forschung
und vor allem den Mut zur Wahrheit

Quelle:

O'Brien M: Have lessons been learned from the UK bovine
spongiform encephalopathy (BSE) epidemic?
International Journal of Epidemiology 2000/29/S.730-733
 



 

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