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AHO Aktuell - 05.12.2000

FAO: Immer mehr Nutztierrassen sterben aus


Rom, 5. Dezember - Jede Woche sterben weltweit zwei Nutztierrassen aus.
Dies geht aus dem dritten "Weltbericht über die Vielfalt bei
Nutztierrassen" hervor, den die Ernährungs- und Landwirtschafts-
organisation der Vereinten Nationen (FAO) jetzt veröffentlicht hat.
Der Bericht ist vom VN-Umweltprogramm (UNEP) mitfinanziert worden.

Mit Unterstützung der FAO sind in den vergangenen zehn Jahren in 170
Ländern Informationen über rund 6500 Nutztierrassen gesammelt worden.
Dazu zählen unter anderem Rinder, Ziegen, Schafe, Büffel, Schweine, Pferde,
Kaninchen, Hühner, Puten, Enten, Gänse, Tauben und Strausse.

"In den vergangenen 100 Jahren sind bereits rund 1000 Nutztierrassen
ausgestorben. Der neue Weltbericht zeigt, dass die Bedrohung zunimmt:
rund ein Drittel der Rassen sind nach unseren Erkenntnissen vom
Aussterben bedroht", sagte Beate Scherf, Mitarbeiterin des FAO-Büros
für tiergenetische Ressourcen.

In der FAO-Datenbank über Nutztierrassen sind 6379 Rassen von rund
30 Säugetier- und Geflügelarten erfasst. Über 4183 Rassen besitzt
die FAO Bestandszahlen; davon gelten 740 Rassen als ausgestorben
und 1335 (32 Prozent) als vom Aussterben bedroht.

"Diese Angaben sind eher konservativ", betonte Beate Scherf. "Seit
1995 ist der Anteil der Säugetierrassen, die extrem gefährdet sind
und für immer zu verschwinden drohen, von 23 auf 35 Prozent gestiegen.
Bei den Geflügelrassen ist die Lage noch ernster, 1995 waren rund 50
Prozent vom Aussterben bedroht, 1999 bereits 63 Prozent. Wenn nicht
rechtzeitig etwas unternommen wird, könnten in den kommenden 20 Jahren
mehr als 2000 Nutztierrassen für immer aussterben."

Die Vielfalt von Nutztierrassen ist einzigartig und kann durch nichts
ersetzt werden, betonte Scherf. "Biotechnologie mag zwar helfen, die
Leistung von Rassen genetisch zu verbessern, es ist aber unmöglich,
einmal ausgestorbene Rassen zu ersetzen. Geht biologische Vielfalt
verloren, dann ist es für immer. Der Verlust ist nicht wieder gut zu
machen."

Die Intensivierung der Landwirtschaft und die Ausfuhr von Tieren aus den
Industriestaaten in die Entwicklungsländer sind nach Einschätzung der
FAO die wichtigsten Ursachen für den Verlust genetischer Vielfalt bei
Nutztierrassen.

Werden Hochleistungsrassen eingekreuzt, verdränge dies in vielen Fällen die
lokalen Rassen, so die FAO. In vielen Entwicklungsländern würden die Rassen
aus den Industriestaaten zwar immer noch als leistungsfähiger angesehen
als lokale Rassen. Viele der importierten Tiere hätten aber grosse
Schwierigkeiten, sich an die Klima- und Umweltbedingungen in den
Entwicklungsländern anzupassen.

"Wir schätzen, dass von den rund 4000 Rassen, die in der Landwirtschaft
hauptsächlich genutzt werden, nur 400 durch Züchtungsprogramme
weiterentwickelt werden, und das fast ausschliesslich in den Industrie-
staaten," sagte Scherf.

Nutztierrassen sind für die Nahrungserzeugung und Landwirtschaft
unentbehrlich. Sie haben einen wertmässigen Anteil von 30 bis 40 Prozent
an der Weltagrarproduktion. Rund zwei Milliarden Menschen sind für
ihren Lebensunterhalt zumindest teilweise auf Nutztiere angewiesen.
Die Erzeugung von Fleisch, Milch und Eiern wird in den kommenden 20
Jahren verdoppelt werden müssen, um die wachsende Weltbevölkerung ernähren
zu können, betonte die FAO. Nutztiere sind ausserdem wichtig, da sie
beispielsweise Dung zum Kochen und Düngen, sowie Fasern und Leder für
Kleidung liefern und beim Pflügen als Zugtiere dienen.

"Das Klima in Entwicklungsländern kann sehr heiss, trocken oder sehr
feucht sein. Die Bauern sind deshalb auf Nutztiere angewiesen, die an
diese schwierigen Bedingungen angepasst sind", sagte Scherf. "Wenn die
genetische Vielfalt erhalten bleibt, können die Bauern Rassen
fortentwicklen oder neue züchten, um auf Umweltveränderungen oder
Tierkrankheiten reagieren zu können. Genetische Vielfalt ist deshalb
eine Art 'Versicherung' gegen zukünftige Herausforderungen wie Hunger,
Trockenheit oder Epidemien. Der heute noch vorhandenen Genpool mag
wertvolles, bislang noch unbekanntes genetisches Material enthalten,
auf das wir in Zukunft angewiesen sein könnten".

Aus dem neuen Weltbericht geht hervor, dass von den in Afrika südlich der
Sahara erfassten 738 Nutztierrassen 15 Prozent vom Aussterben bedroht sind.
Tatsächlich dürften in Afrika aber viel mehr Nutztierrassen gefährdet sein.
"Der Trend ist alarmierend: seit 1995 ist der Anteil der vom Aussterben
bedrohten Säugetierrassen von 8 auf 19 Prozent im Jahre 1999 gestiegen. Bei
den Geflügelrassen gab es einen Anstieg von 20 auf 34 Prozent".

In Asien und im Pazifik sind mehr als ein Fünftel der weltweit vorhandenen
genetischen Nutztierressourcen beheimatet: die Mehrzahl der Büffel und Yaks
sowie ein Drittel der Schweine- und ein Viertel der Ziegenrassen. Insgesamt
sind in der FAO-Datenbank 1251 Nutztierrassen aus der Region erfasst, von
denen zehn Prozent bedroht sind. Die Gefährdung lokaler Rassen nehme auch
in Asien weiter zu. Zwischen 1995 und 1999 sei der Anteil vom Aussterben
bedrohter Säugetierrassen von 11 auf 14 Prozent gestiegen, bei den
Geflügelrassen gab es einen Zuwachs von 32 auf 37 Prozent.

In Europa werden viele lokale Rassen wirtschaftlich als nicht
wettbewerbsfähig eingestuft und deshalb vernachlässigt. In der Geflügel-
und Schweinezucht wird beispielsweise nur eine Handvoll von
Hochleistungsrassen genutzt. Besonders kritisch ist die Lage in
Osteuropa. "Das unsichere politische Klima dort wird das Aussterben
von Nutztierrassen noch beschleunigen", so die FAO. Von den 2576
erfassten Rassen in Europa sei inzwischen etwa die Hälfte vom Aussterben
bedroht.

In Europa sind über ein Viertel der weltweit vorhandenen Rinder-,
Ziegen-, Schafs-, Schweine-, Enten- und Putenrassen sowie mehr als die
Hälfte der Pferde-, Hühner- und Gänserassen beheimatet.

In Lateinamerika besteht die Gefahr, dass mehr als 20 Prozent der
Nutztierrassen dort für immer verlorengehen. Seit 1995 ist der Anteil der
gefährdeten Geflügelrassen von 5 auf 45 Prozent im Jahre 1999 gestiegen. Im
Nahen Osten seien acht Prozent der Nutztierrassen vom Aussterben bedroht.
Intensivierung und Mechanisierung der Landwirtschaft hätten auch in den
Vereinigten Staaten dazu beigetragen, dass die Zahl wertvoller
Nutztierrassen sinke. Von 259 Rassen seien dort 35 Prozent gefährdet.

Gefährdete Rassen zu nutzen und weiterzuentwickeln ist nach Auffassung der
FAO die beste Methode, um die bedrohten Rassen vor dem Aussterben zu retten.
Diesen Ansatz verfolgt die FAO auch mit ihrer globalen Strategie zur
Unterstützung besonders der Entwicklungsländer. Wichtig sei es, Bauern und
politische Entscheidungsträger an Programmen zur Erhaltung und Nutzung von
tiergenetischen Ressourcen von Anfang an zu beteiligen.
 



 

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