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AHO Aktuell - 07.11.2000

Kommentar: Vorbeugen


Die Ergebnisse des britischen BSE-Berichts und zahlreiche Reaktionen
darauf verbreiten derzeit die Medien. Erschütternd ist daran nicht nur,
dass der Bericht eröffnet, wie ungewiss noch immer die Übertragungswege
und die möglichen Ausmaße sind. Erschütternd ist auch die geschilderte
Einschätzung der Vorgänge als ein fast schicksalhaftes Ereignis:
Niemand habe sich so richtig falsch verhalten.

Doch hätte es zahlreiche Möglichkeiten gegeben, konsequenter und
rascher Maßnahmen zu ergreifen: Diese Deutung gibt der Bericht
schließlich auch her. Notwendig wäre dazu der Gedanke der radikalen
Vorbeugung in dem Moment gewesen, als die ersten Kühe in England am
Rinderwahnsinn verendet waren. Stattdessen wurde Optimismus verbreitet,
um die Verbraucher nicht unnötig zu beunruhigen und den
Rindfleischabsatz der britischen Farmer nicht zu gefährden. Vernünftig
war dieses Verhalten nicht. Denn eigentlich schließen die Hoffnung auf
ein gutes Ende und ein Vorbereiten auf die schlimmstmögliche Variante
einander nicht aus. Vielmehr erweist sich nun als schwerwiegender
Fehler, dass unsinnig lange darauf beharrt wurde, dass BSE gar nicht
so schlimm sei, weil Ansteckungsgefahren für den Menschen noch nicht
erwiesen seien. Der Umgang mit BSE hat maßgeblichen Anteil an der
Vertrauenskrise der Nahrungsmittelerzeugung und deren
wissenschaftlicher Begleitung.

Daran sollten alle Verantwortlichen in Deutschland denken, wenn sie
Verbrauchern Sicherheit versprechen. Ein genaues Studium des
britischen BSE-Berichts wird nämlich erweisen, dass vermehrte
BSE-Tests in deutschen Schlachthöfen, wie sie jetzt angekündigt
wurden, nicht die einzige Maßnahme bleiben sollten, wenn
größtmögliche Prävention angestrebt wird. Notwendig ist vielmehr
eine grundlegende und penible Analyse aller Gefahrstellen und deren
gründliche Beseitigung. Denn auch die kleinste Infektionsquelle kann
nach dem britischen Bericht nicht als vernachlässigbar angesehen
werden. Dort werden nämlich auch minimale Mengen Geflügel- oder
Schweinefutter, die im Rindertrog gelandet sind und infiziertes
Tiermehl enthielten, für eine weitere Ausbreitung von BSE verant-
wortlich gemacht. Da muss es doch auch in Deutschland heißen: Augen
auf! Seien es Importe von Tiermehl aus Frankreich, wo sich derzeit
eine eigene BSE-Problematik offenbart; seien es geringfügige
Restbestände solcher Importe, deren Sterilisierungstechnik unbekannt
ist. Zu denken ist auch an Transporte von Mischfutter über die Grenzen.
Denn hier können Verunreinigungen mit unbekannten Zutaten nicht
unbedingt ausgeschlossen werden. Ein genaueres Hinsehen verlangen aber
auch die Lagerungs- und Fütterungspraxis auf den landwirtschaftlichen
Betrieben. Für alle kleinen Schwachpunkte in der langen Kette vom
Futtermittel bis zum Fleisch auf dem Teller gilt es, das Bewusstsein
aller Beteiligten zu schärfen. Erst dann kann Sicherheit garantiert
werden.

Solche Überlegungen als übertrieben oder hysterisch abzutun, würde dem
langjährigen Vorgehen der britischen Verantwortlichen nur allzu sehr
gleichen. Britische Politiker sind mit der Bagatellisierung
potenzieller Gefahren ihrer Verantwortung für die Gesundheit der
Verbraucher nicht gerecht geworden. Dies ist eine der wichtigsten
Lehren aus dem BSE-Untersuchungsbericht.

Aktueller Wochenend-Kommentar vom 4. November 2000
AGRARZEITUNG ERNÄHRUNGSDIENST
von Brigitte Stein, Frankfurt a.M.
 



 

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