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AHO Aktuell - 03.11.2000

Gensprung vom Futtermais zum Hähnchen nachgewiesen


(aho) Bruchstücke aus dem Erbgut von gentechnisch verändertem
Mais haben Ernährungswissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität
Jena in Organen und Muskelfleisch von Hähnchen nachgewiesen. Die Tiere
waren ihr 32 Tage kurzes Leben ausschließlich mit Körnern des so
genannten Bt-Maises gefüttert worden. Diese Pflanzensorte ist mit einem
künstlich eingebauten Gen gegen den Maiszünsler, ein Schadinsekt,
geschützt.

Prof. Dr. Gerhard Jahreis und seine Mitarbeiterin Dipl.-troph. Jana
Kraft betrachten dieses Ergebnis allerdings mit großer Gelassenheit. "Es
gibt keinen Grund zur Beunruhigung für die Verbraucher", so Jahreis.
"Wir nehmen täglich zwischen 100 und 1.000 Mikrogramm fremder
Erbsubstanz über die Nahrung auf. Sie wird teilweise direkt wieder
ausgeschieden oder binnen kurzer Frist im Organismus verstoffwechselt."
Das Gemeinschaftsprojekt der Thüringer Wissenschaftler mit drei anderen
Forschungseinrichtungen in Bayern und Niedersachsen diente der
Grundlagenforschung, um den Gentransport über die Nahrungskette näher
aufzuklären.

Beteiligt daran waren das Institut für Physiologie der TU München, die
Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach, das Institut für
Tierernährung in Braunschweig und eben das Institut für
Ernährungswissenschaften der Universität Jena. In einem Ringversuch
wurden eine Testpopulation von Hähnchen ausschließlich mit Körnern des
genveränderten Bt-Maises und eine Kontrollgruppe nur mit herkömmlichen
Maiskörnern gefüttert. Nach der Schlachtung untersuchten die
Wissenschaftler in Kulmbach, München und Jena Gewebeproben der Tiere
aus Niere, Milz, Leber, Schenkel- und Brustmuskelfleisch mit Hilfe der
gentechnischen Polymerasekettenreaktion (PCR).

Dabei fanden sie in allen Tieren typische Sequenzen der Mais-DNA,
allerdings nicht aus den veränderten Genen des Bt-Maises. "Das hängt
von den verwendeten Primern und damit von den im Nachweisverfahren
entstehenden PCR-Produkten ab", so Jahreis. "Wir können jedoch davon
ausgehen, dass auch Fragmente aus diesen Genen in die verzehrbaren
Fleischbestandteile des Broilers gelangen."

Unter "Primern" verstehen die Forscher "genetische Angeln", also
Genabschnitte, die für den Nachweis speziell hergestellt und bei der
Polymerasekettenreaktion eingesetzt werden. Die PCR-Methode trennt den
"Reißverschluss" der doppelsträngigen DNA auf, und die mehrere hundert
Basen langen Primer docken an die frei gewordenen spezifischen
Gensequenzen an. Insgesamt fünf solcher Primer setzten die Forscher
unabhängig voneinander ein: zwei für neutrale, aber Mais-typische Gene,
einen für ein Antibiotikumresistenz-Gen, einen für das Bt-Gen und einen
Kontrollprimer, um Verunreinigungen der Proben durch Mikroorganismen
auszuschließen.

Zwar erklärt sich Jahreis grundsätzlich zu einem Befürworter der
modernen Gentechnik, am Bt-Mais hat er allerdings einiges auszusetzen.
Denn diese Nutzpflanze wurde in ihrer Erbsubstanz gleich mit drei
Resistenzgenen künstlich verändert: gegen Unkrautvernichtungsmittel,
einem weiteren gegen das Antibiotikum Ampicillin - nur zum bequemen
Kontrollnachweis - und eben mit einem Gen des Bacillus thuringiensis.
Dieses Gen regt die Produktion von Delta-Endotoxin an, einem Zellgift,
das den Darm des Pflanzenschädlings Maiszünsler zerstört.

"Die genetische Veränderung beim Bt-Mais nützt also nur den
Maisproduzenten, nicht aber den Verbrauchern", kritisiert Prof. Jahreis.
Zumindest das Bt-Gen schade ihm allerdings auch nicht: "Diese Gene
nehmen wir auch in ursprünglicher Form mit dem Bacillus thuringiensis
auf, wenn wir zum Beispiel eine schlecht gewaschene Möhre verzehren."

Für bedenklicher hält der Ernährungswissenschaftler indes die Markierung
der Maispflanze mit einem Antibiotika-Resistenz-Gen: "Eine Übertragung
der Antibiotika-Resistenz auf Krankheitskeime im menschlichen Darm kann
derzeit nicht vollends ausgeschlossen werden." Daraus leitet der Jenaer
Forscher auch die Forderung nach einem sorgfältigen Umgang mit den
neuen gentechnischen Möglichkeiten in der Nahrungsproduktion ab.
Natürlich gebe es Genprodukte, die beim Menschen zum Beispiel
allergische Reaktionen auslösen können. Andererseits könne man mittels
Gentechnik ebenso Pflanzengene unwirksam machen, die für die Synthese
von allergenen Proteinen verantwortlich sind.

Auch eine ökologische Bewertung der Aussaat von Genpflanzen sei
durchaus nicht einfach. "Wenn es Verwandte der genveränderten
Kulturpflanze in der Umwelt gibt, kann das veränderte Gen auf diese
übertragen werden", so Jahreis, "deshalb ist größte Sorgfalt beim
Umgang mit dem neuen Wissen angezeigt."

Grundsätzlich könne sich aber kein Verbraucher gegen den Verzehr von
Fremdgenen schützen. Praktisch mit jedem Nahrungsmittel nehmen wir die
Gene von Nutztieren und -pflanzen über die so genannten Peyerschen
Plaques im Darm auf. - "Kein Grund zur Panik", erklärt Prof. Jahreis,
"unser Organismus verfügt über fantastische Entsorgungssysteme für
diese Fremd-DNA." Das meiste davon wird im Darm in die Hauptbestand-
teile Purin, Pyrimidin, Phosphat und Zucker aufgetrennt und
anschließend im Stoffwechsel verarbeitet.

Nur wer sich ausschließlich von Drüsensekreten, etwa reiner Milch, und
konzentrierten Nährstoffen wie Zuckerwürfeln oder Kartoffelstärke
ernährt, isst keine Fremd-DNA. - "Aber wer will das schon?" schmunzelt
Jahres, "gesund ist das jedenfalls nicht." Ironie des Schicksals:
Besonders reich an Erbgut ist die Öko-Kost, wie zum Beispiel
Getreidekeime.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Gerhard Jahres
Institut für Ernährungswissenschaften der
Friedrich-Schiller-Universität, Jena
Tel.: 03641/949611, Fax: 949612
E-Mail
 



 

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