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AHO Aktuell - 13.09.2000

Lebensmittel sind sicherer geworden


Der lebensmittelchemischen Analytik bleibt kaum noch etwas verborgen.
Vor 30 Jahren war ein Stück Würfelzucker im Dorfteich nur mit Mühe
nachweisbar. Heute stehen Verfahren zur Verfügung, diese Mengen im
Bodensee aufzuspüren. Berichte über neue Spurenstoffe vermitteln den
Eindruck, die Qualität von Lebensmitteln in gesundheitlicher Hinsicht
nehme stetig ab. Anlässlich des Deutschen Lebensmittelchemikertages
im September in Stuttgart-Hohenheim stellt die Lebensmittelchemische
Gesellschaft (GDCh) jedoch richtig: Lebensmittel sind insgesamt
sicherer geworden. Dazu haben die lebensmittelchemische Spurenanalytik,
die toxikologische Risikobewertung neu nachgewiesener Stoffe und
gesetzliche Maßnahmen beigetragen. Das zeigt eine Reihe erfolgreicher
Beispiele.

Schon die alten Ägypter besaßen gute Kenntnisse von den Giftwirkungen
zahlreicher Pflanzen. Dieses überkommene Wissen fasste Paracelsus im
16. Jahrhundert in die Erkenntnis: "All Ding sind Gift und nichts ist
ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist" und
stellte damit die Dosis-Wirkbeziehung her. Die gesundheitsschädliche
Wirkung eines Stoffes hängt damit von seiner aufgenommenen Menge ab.

Auf Nachrichten über neu erkannte Spurenstoffe erwartet der
Verbraucher eine schnelle Reaktion der Lebensmittelwirtschaft, aber
auch der amtlichen Überwachung. Rechtsgrundlagen für besondere
Maßnahmen, z. B. gesetzliche Höchstmengen, gibt es naturgemäß aber
bei neu erkannten Lebensmittelverunreinigungen nicht. Deshalb bedarf
jede neue analytische Erkenntnis eines hohen Maßes an Verantwortungs-
bewusstsein. In einer ersten Reaktion ist es wichtig, darüber
aufzuklären, dass nach der Erkenntnis von Paracelsus und nach aller
bisherigen Erfahrung die gefundenen Mengen meist so gering sind,
dass keine akute Gefahr besteht.


Über das weitere Vorgehen, das in Europa schon seit langem Standard
ist, wurde jüngst weltweites Einvernehmen erzielt: Zuerst muss das
Risiko chronischer Auswirkungen toxikologisch abgeklärt werden (risk
assessment). Stellt es sich als notwendig heraus, Maßnahmen zum
vorbeugenden Gesundheitsschutz zu ergreifen, steht dem Gesetzgeber
eine Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung (risk management). Hierzu
gibt es eine Fülle erfolgreicher Beispiele: Im Vorfeld des
Lebensmittelrechts wurden Herstellungs- und Verwendungsverbote
gesetzlich verfügt, z. B. beim Insektizid DDT oder bei
polychlorierten Biphenylen. Die Belastung der Lebensmittel durch
Dioxine wurde durch ein Bündel von Maßnahmen, wie das Benzin-
Bleigesetz und technische Anforderungen an Müllverbrennungs- und
Feuerungsanlagen, wirksam um die Hälfte verringert.

Anders wurde bei der Belastung von Fischen durch Tributylzinn aus
Schiffsanstrichen verfahren. In einer ersten Reaktion erfolgte ein
Verwendungsverbot bei Sportbooten, das aber dringend auf alle
Seefahrzeuge erweitert werden muss. Eine Höchstmengenregelung wird
zur Zeit geprüft. Für bestimmte Nitromoschus-Duftstoffe, die in
Wasch- und Reinigungsmitteln und Kosmetika verwendet wurden und
die sich in Fischen anreichern, bestehen Verwendungsverbote. In
Wasch- und Reinigungsmitteln wird freiwillig auf ihren Einsatz
verzichtetet.

Für Lebensmittel wurde eine Fülle von Stoffhöchstmengen festgelegt,
die sich nicht nur auf anthropogene Umweltkontaminanten,
Behandlungsrückstände von Insektiziden oder Tierarzneimitteln
erstreckt, sondern auch auf natürliche Lebensmittelverunreinigungen,
wie z. B. Mykotoxine.

Der deutschen und europäischen Lebensmittelrechtsetzung liegt das
Vorsorgeprinzip zu Grunde, das auch sozioökonomische und ökologische
Aspekte beinhalten kann. Dieses Prinzip hat im Streit um die
Hormonbehandlung von Masttieren zwischen der EU und den USA zu
einem Konflikt innerhalb des Welthandelsabkommens geführt. In der
Europäischen Union ist nach dem Grundsatz des Vorsorgeprinzips
der Einsatz naturidentischer Hormone und hormonwirksamer Substanzen
in der Tiermast verboten, obwohl toxikologisch keine nachteiligen
Auswirkungen feststellbar sind. Die USA dagegen wollen die dort
zulässige Hormonbehandlung von Masttieren weltweit durchsetzen,
solange Schadwirkungen nicht nachweisbar sind. An diesem Streit zeigt
sich, dass in Europa das politische Bewusstsein um den
lebensmittelrechtlichen Gesundheitsschutz vergleichsweise hoch
ist.

Der Fortschritt der Analytik vermittelt den Eindruck, die Verbraucher
würden durch Spurenverunreinigungen in Lebensmitteln zunehmend
gesundheitlich belastet. Dieser Eindruck ist falsch. Das Gegenteil
ist der Fall: weil auf lebensmittelchemische Erkenntnisse und auf
neu erkannte Gefahren durch den Gesetzgeber reagiert wird, hat sich
die Qualität der Lebensmittel in gesundheitlicher Hinsicht
verbessert. Zur Untermauerung dieser eindeutigen Tendenz fordert
die Lebensmittelchemische Gesellschaft bei neuen Spurenverun-
reinigungen in Lebensmitteln eine objektive Aufklärung der
Verbraucher, eine schnelle toxikologische Bewertung der Risiken
und rasche Maßnahmen des Gesetzgebers. Ferner mahnt sie die
weltweite Beachtung des Vorsorgeprinzips an. Sie weist darauf
hin, dass zügiges Handeln das Vertrauen der Verbraucher und die
Glaubwürdigkeit der amtlichen Überwachung und der Lebensmittel-
wirtschaft fördert.

Wissenschaftlicher Pressedienst Chemie 42/00 vom 11. September 2000
 



 

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