Aktuelle Meldungen  -  Nachrichten suchen  -  kostenloses Abo  -   Nachricht weiterempfehlen

 

AHO Aktuell - 17.04.2000

Kommentar: Populismus & BSE


Zugegeben, auch 16 Jahre nach dem ersten Ausbruch des Rinderwahns in
Großbritannien bleibt Vieles im unklaren. In Dänemark ist kürzlich
eine einheimische Kuh an BSE erkrankt, die eigentlich gar kein
kontaminiertes Tiermehl gefressen haben dürfte. Seitdem werden
wieder Zweifel lauter, ob Futtermittel wirklich die einzige
Übertragungsmöglichkeit für BSE darstellen. Die anhaltende
Unsicherheit ist aber noch lange kein Grund für überzogene
Reaktionen. Die EU-Kommission dürfte über das Ziel hinausschießen
mit ihrer Überlegung, sämtliche verendete Tiere, egal ob Rind,
Schwein oder Huhn von der Futtermittelkette auszuschließen.

Noch ist nichts entschieden. Aber gerade deshalb sei die Kommission
vor Maßnahmen gewarnt, die mehr durch ihren Populismus als durch
sachliche Argumente bestechen. Eine Abstufung des BSE-Risikos zwischen
Rindern, die zum menschlichen Verzehr freigegeben wurden und Rindern,
die wegen Knochen oder Eutererkrankungen notgeschlachtet werden müssen,
fällt schon schwer. Einem verendeten Schwein, das bisher nur unter
künstlichen Bedingungen im Versuchslabor mit dem Rinderwahn infiziert
werden konnte, ein BSE-Risiko nachzusagen, übersteigt dagegen
jegliches noch so ernst genommenes Vorsorgeprinzip. Sicher ist, dass
die Kadaver bei 133 Grad Celsius unter Druck sterilisiert werden, bevor
man sie als Tiermehl verfüttert. Vom kurz gebratenen Rindersteak bis
zum ausgekochten Suppenknochen ist die Aufbereitung in der Küche
dagegen bei weitem nicht so sicher, was mögliche BSE-Erreger angeht.

Wenn die Kommission also Überlegungen in einem Bereich minimaler
Restrisiken anstellt, sollte sie an Notschlachtungen und an
freigegebenes Fleisch nicht zwei völlig unterschiedliche Maßstäbe
anlegen. Auf den Höfen verendete Tiere werden in Deutschland seit
Jahrzehnten eingesammelt und zu Tiermehlen verarbeitet. Dadurch
sollen nicht nur wertvolle Proteine wieder verwendet werden. Es
gibt auch einen seuchenhygienischen Aspekt. Die kostenlose oder
kostengünstige Abholung verhindert, dass die Tiere heimlich vergraben
werden. Wenn die Kommission nun ans Kompostieren denkt oder von der
Verwertung in Biogasanlagen spricht, wäre dies für die Seuchenhygiene
ein Rückschritt, mal ganz abgesehen von den hohen Kosten dieser
Alternativen.

Bevor die Kommission zum großen populistischen Wurf für scheinheilige
Saubermänner ausholt, sollte man sich um andere Dinge kümmern. So ist
bisher zwar bekannt, dass 95 Prozent des Infektionsrisikos in Gehirnen
und Rückenmark von Rindern liegen. Wird aber im Schlachthof die Säge
an die Wirbelsäule angelegt, kann diese weiterhin das Rückenmark
berühren und auf dem Fleisch zu Schmierinfektionen führen. Auch ist
noch nicht sicher gestellt, dass das Gehirn überall mit der
erforderlichen Temperatur drucksterilisiert wird. Hier hat gerade
Deutschland Schwierigkeiten, sich umzustellen. Zusammen mit dem
Schädelknochen wurde bisher das Rinderhirn in Spezialbetrieben zu
Fleischknochenmehl verarbeitet. Dieses muss aber erst ab dem 1. Juli
2000 so nachhaltig wie das Tiermehl aufbereitet werden. Der sichere
Umgang mit den infektionsträchtigen Geweben wird den Verbraucher
besser vor dem vermuteten Restrisiko schützen können als ein Verbot
der Kadaververfütterung.


Axel Mönch, Brüssel: "Populismus"
AGRARZEITUNG ERNÄHRUNGSDIENST
Aktueller Wochenend-Kommentar vom 15. April 2000
 



 

  zum Seitenbeginn


© Copyright

AHO Aktuell ist ein Service von ANIMAL-HEALTH-ONLINE und @grar.de