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AHO Aktuell - 12.04.2000

Vorwürfe: Kommentar zur BSE - Problematik in Frankreich


Die jüngsten Fälle der Rinderseuche BSE in Frankreich verwirren
nicht nur die Verbraucher. Sie sind geeignet, Streit in die
Agrarbranche zu tragen. Die Hersteller von Mischfutter sehen
sich plötzlich von aufgebrachten Rinderhaltern an den Pranger
gestellt. Im Departement Ain kam es zu einer Demonstration von
Landwirten gegen den Futtermittelhersteller SA Moulin Guenard,
eine Tochter der Futtermittelgruppe Soreal, nachdem ein weiterer
BSE-Fall bekannt geworden war. Der Spitzenverband der privaten
Futtermittelhersteller (Snia) hat mit Gegenprotest reagiert.
In einem Brief an den Präsidenten des Bauernverbandes FNSEA,
Luc Guyot, verwahrt sich Snia dagegen, dass eine Firma schuldig
erklärt wird, ohne dass es überhaupt Hinweise auf ein
Fehlverhalten gibt. Das Vorgehen drohe auch erneuten Schaden für
die gesamte Nahrungsmittelbranche mit sich zu bringen. Letztlich
werde die Aufregung um BSE, Dioxin, Klärschlamm, Listerien neu
angeheizt. Demonstrationen gegen Futtermittelbetriebe träfen
eine Branche, die unter der BSE-Problematik ebenso litte wie die
landwirtschaftliche Erzeuger selbst, beklagte sich der
Spitzenverband.

In der Tat ist das Vorgehen der Demonstranten nicht sehr glücklich.
Zumal zu vermuten steht, dass es vor dem Hintergrund des
Konkurrenzkampfes der Bauernverbände FNSEA (konservativ) und
Confederation Paysanne (linksgerichtet) stattfindet. Die
landwirtschaftlichen Erzeuger werden unruhig. Denn es hat den
Anschein, dass die Rinderseuche keinesfalls unter Kontrolle ist.
Seit Beginn dieses Jahres wurden in Frankreich 13 BSE-Fälle
registriert und die Gesamtzahl seit 1991 damit auf 93 erhöht.
Das ist verglichen mit englischen Funden wenig. Aber es irritiert,
dass der Trend eher zunimmt als zurückgeht. Denn es handelt sich
dabei sämtlich um Tiere, die nach dem Verbot der Verfütterung
von Tiermehl an Rinder geboren sind.

Agrarminister Jean Glavany ist in einer schwierigen Position. Die
BSE-Problematik läuft in einem Augenblick heiß, da sich Frankreich
als einziges EU - Land gegen den Import von britischem Rindfleisch
sperrt. Der Vorwurf der Briten, Frankreich möge sich um seine
eigenen Rinder kümmern statt gegen die Importe zu polemisieren,
liegt auf der Hand. Doch auch Paris kann jetzt kein Wundermittel
hervorzaubern. Die Pariser Regierung hat bereits verfügt, dass
die Tests an toten Rindern intensiviert werden sollen. Geplant
ist, pro Jahr zusätzlich 40 000 tote Tiere auf BSE - Elemente
zu untersuchen. Paris ist damit weiter gegangen als der
Veterinärausschuss der EU, der vom 1. Januar kommenden Jahres
an im EU-Gebiet 60 000 Tests an toten Rindern vorschreibt.
Aber die Pariser Haltung ist dennoch nicht so klar, wie sich
dies mancher Verbraucher wünscht. Paris dokumentiert, dass die
EU-Testpläne nicht weit genug gehen. Angesichts des Aufflackerns
der BSE-Seuche steigt aber die Aggressivität bei Verbrauchern,
Erzeugern und Politikern. Es wächst das Bewusstsein, dass die
einheimische Produktion nicht frei ist von Risiken. Dass dies
auch für andere europäische Länder gilt, ist kein Trost.


Agrarzeitung ERNÄHRUNGSDIENST
Aktueller Wochenend-Kommentar vom 8. April 2000
von Jörg Foshag, Paris
 



 

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