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AHO Aktuell - 15.02.2000

Tengelmann gibt Tierschutzkontrollierte Produkte auf!


Der Bundesverband Tierschutz stellt mit Bedauern fest:
Seit 1. Februar 2000 gibt es in über 600 Tengelmann-Läden keine
tierschutzkontrollierten Produkte mehr. Diese Nachricht war für uns ein
schwarzer Tag zu Beginn dieses Jahres, denn die Inhaber von
Tengelmann, die Fam. Haub, war immer dem Tierschutz und
Naturschutz sehr zugetan.

Mehr als 2 Jahre haben wir intensiv für das Tengelmann-Konzept von
tierschutzüberprüften Produkten gearbeitet und viele
landwirtschaftliche Betriebe auf die Tierschutz-Standards in der
Erzeugung mit hohem materiellen Aufwand umgestellt.

Das mit dem Hause Tengelmann abgesprochene Konzept war mit Eiern
aus artgerechter Haltung über Rindfleisch, Kalbfleisch, Hähnchen,
Puten- und Schweinefleisch im Laufe der Zeit ein tierschutzrelevantes
Programm aufzubauen, das den Tieren ein artgerechte Leben und
dem Verbraucher ein naturnah erzeugtes, gesundes und
umweltfreundliches Produkt liefern sollte. Der Verbraucher hatte dieses
seit 1997 laufende Konzept so gut angenommen, dass man im Hause
Tengelmann begeistert war. Tengelmann war der erste
Lebensmittelhändler, der Käsigerer aus dem Sortiment nahm und nur
noch Eier aus tierschutzüberprüften Betrieben aus Freiland- und
Bodenhaltung und ausschließlich aus deutscher Erzeugung in den
Regalen anbot!

Zeitweise konnten die Märkte nicht ausreichend beliefert werden, weil
man nicht mit den steigenden Umsätzen gerechnet hatte. Ein Beweis
dafür, dass der Verbraucher ehrliche Ware aus vom Tierschutz
anerkannten Betrieben bevorzugt hat. Erst als Aldi mit fragwürdiger
Freilandware zu Dumpingpreisen auf den Markt kam hatte Tengelmann
leichte Umsatzeinbußen.

Zwei Gründe erscheinen uns für die Entscheidung des Hauses
Tengelmann, das Tierschutz-Konzept aufzugeben, möglich zu sein,
obgleich man uns keine Begründung der Entscheidung des neuen
Management des Hauses Tengelmann gegeben hat.

Zum einen steht der Lebensmittelhandel in einem nie dagewesenen
ruinösen Verdrängungswettbewerb. Man setzt neuerdings bei
Tengelmann auch auf die Preisschiene. Aldi und Lidl als
Preisdisconnter betreiben eine NiedrigPreis-Politik, die vom
Verbraucher angenommen wird und alle Lebensmittelketten versuchen
diesem Preiswettbewerb pari zu bieten. Da gelten nur die Gesetze des
Verdrängungswettbewerbs und jeder kämpft um Marktanteile. Wird
dieser ruinöse Wettbewerb, der auch das Haus Tengelmann in
finanzielle Schwierigkeiten gebracht hat, damit enden, dass nur noch
zwei oder drei Lebensmitteldiscounter sich den Weltmarkt der
Ernährung teilen, wie dies von Fachleuten prognostiziert wird?
Wettbewerb wird dann ausgeschaltet sein und der Verbraucher zahlt
den Preis für sein Kaufverhalten.

Die Qualitätsschiene mit Anspruch auf umweltschonende Erzeugung
und tiergerechte Nahrungsmittel wird in diesem Wettbewerb
untergehen und der Verbraucher wird zum Spielball von
Globalisierungseffekten - ein Wort, an das wir uns gewöhnen müssen!

Sicher waren aber auch im Hause Tengelmann, das
Tierschutzkonzept aufzugeben, eine nicht nachzuvollziehende
Mißachtung unserer Arbeit für tierschutzrelevante Erzeugung in
bäuerlichen Haltungen die Schwierigkeiten, die uns das
Landwirtschaftsministerium gemacht hat, indem sie
keine "Tierschutzauslobung" gestatteten. Jahre kämpfen wir dafür, dass
das Landwirtschaftsministerium unsere Arbeit zum Schntz der Tiere und
der Verbraucher gestattet! Noch heute haben wir keinerlei
Unterstützung des BML, obwohl wir nur für landwirtschaftliche
Produktion in artgerechter Haltung gekämpft haben. Tengelmann hat
viele Abmahnungen von Seiten der Landesämter erhalten, weil vom
BML keine Tierschutzauslobung anerkannt wurde und wir unser Recht
den Gesetzen der EG und nationalen Verordnungen gemäß über
Gerichte uns erstreiten mussten (siehe Bericht Frau Dr. Funke). Sicher
mag dieses skandalöse Verhalten des BML dazu beigetragen haben,
dass Tengelmann sich nun gegen den Tierschutz entschieden hat.
Was wir nie begriffen haben ist die Tatsache, dass unser Verband mit
dem Bund gegen Mißbrauch der Tiere und dem Bündnis Tierschutz
gemeinsam für artgerechte Tierhaltung in bäuerlichen Betrieben
gekämpft hat und damit dem Postulat der Politik einen Dienst erweisen
wollten und uns in unserer Arbeit von Seiten des BML nur Steine in den
Weg geworfen wurden. Da verstehe man Politik als Willensäußerung
der Menschen. Zählen in diesem Staat wirklich nur das Kapital und die
Interessen der Mächtigen? Enttäuscht sind wir auch von dieser
Regierung, die Versprechungen in Sachen Tierschutz gemacht hat.
Aber vergessen sind Versprechungen, wenn man von der Macht Besitz
genommen hat. Tengelmann ist ein Trauerspiel für den Tierschutz und
der Verbraucher zahlt wie immer die Zeche!

Zudem, an den Tengelmann-Regalen wird noch mit
Tierschutzaussagen geworben. Am 10. 03.2000 mussten wir
feststellen, dass der Verbraucher an den Eierregalen noch mit
"Tierschutzkontrollen" beworben wird, obgleich keine Tierschutzware
mehr in den Regalen vorhanden ist. Wir wollten Verbraucherschutz und
bessere Produkte aus tiergerechter Haltung für die Verbraucher und
leider macht man mit uns noch Reklame und täuscht den Verbraucher.

Und wer zahlt die Zeche - der Verbraucher und die Tiere. Arme
Verbraucher und unsere armen Landwirte, die wir auf
tierschutzrelevante Haltungen umgestellt hatten und mit höheren
Kosten produzieren mussten und nun in den inzwischen ruinösen
Wettbewerb auch bei Eiern aus artgerechter Tierhaltung mit
hineingezogen werden.

Der Wettbewerb im Lebensmittelhandel wird unsere Bemühungen um
artgerechte Tierhaltungen und bessere Produkte für den Verbraucher
sicher weiter erschweren. Trotzdem hoffen wir auf den mündigen
Verbraucher, der Produkte aus tiergerechten Haltungen und
umweltschonenden Produktionsverfahren in seine eigenen langfristig
bedingten Lebensweise nachfragen sollte. Bitte sprechen sie bei
Tengelmann und auch anderen Lebensmittelgeschäften die Marktleiter
an und fragen nach vom Tierschutz protegierten Produkten. Vielleicht
könnten wir über das Kaufverhalten der Bevölkerung für Tier und
Mensch doch in Zukunft noch etwas bewirken.

© Bundesverband Tierschutz e.V. 2000
 



 

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