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AHO Aktuell - 29.12.1999

Mutterkorn im Roggen gefährdet Menschen und Tiere

Biologische Bundesanstalt prüft Widerstandsfähigkeit


(idw/BBA) In den Roggenfeldern hat in den vergangenen Jahren eine
Krankheit zugenommen, die auch für den Menschen gefährlich werden kann:
das Mutterkorn. In den schwarzen, meist großen Körnern ist ein Gift
enthalten, das bei Verzehr sogar zum Tod führen kann. In der
Biologischen Bundesanstalt in Braunschweig wird nach Möglichkeiten
gesucht, die durch einen Pilz verursachte Krankheit zu bekämpfen. Die
Widerstandsfähigkeit der Roggensorten ist dabei entscheidend.

Bevor der Roggen gemahlen und gebacken wird, kann er gesiebt und
dadurch vom Mutterkorn gereinigt werden. Dies lohnt sich aber nur bei
geringem Befall. "Manchmal sind bis zu 5 % des Ertrags Mutterkörner."
sagt Thomas Engelke von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und
Forstwirtschaft (BBA). Er schreibt darüber seine Doktorarbeit und
ist mit seinem Betreuer Dr. Horst Mielke von der BBA der Spezialist
ür diese schon aus dem Mittelalter bekannte Krankheit.

Eine Reinigung des Getreides kann einen Verlust von 15 % des Ernteguts
bedeuten, weil auch gesunde, aber kleine Körner herausgesiebt werden.
Ist der Befall zu stark, so kann der Landwirt das Feld gleich
unterpflügen. Verfüttern darf man stark befallenes Getreide auf gar
keinen Fall. Federvieh, Schweine und Rinder sind auch sehr empfindlich.
Der offizielle Grenzwert ist ein Befall von 0,1 % für Futtergetreide
und 0,05 % für Brotgetreide.

Isst man Brot von Getreide mit 1% Mutterkorn, so ist mit
Gliederschmerzen und Lähmungserscheinungen zu rechen. Das Nervengift,
das aus verschiedenen Ergotalkaloiden besteht, schließt die Blutgefäße,
so dass es zu blauen oder schwarzen, nicht durchbluteten Flecken auf
der Haut kommt oder Gliedmaßen, Hände und Füße sterben ab. In der
Medizin werden die Stoffe in der Gynäkologie eingesetzt - daher
wahrscheinlich der Name Mutterkorn - aber auch zur Schock- und
Migränebehandlung verwendet.

Das Mutterkorn ist seit ein paar Jahren im Kommen. "Die Feldränder
werden nicht mehr gemäht und abgeweidet." sieht Horst Mielke als eines
der Ursachen. Die Roggenkrankheit war selten geworden. Weder Landwirte
noch Pflanzenzüchter sahen im Mutterkorn ein Problem. Das war
leichtsinnig. Nur geringfügige Anbauveränderungen können Krankheiten
fördern.

Die Forschungen in der Biologischen Bundesanstalt zeigen, dass in
vielen Gräsern wie Quecke, Knaulgras und Ackerfuchsschwanz der Pilz
gedeihen kann. Diese Gräser wachsen am Feldrand, sie können aber auch
zu einem bedeutenden Unkraut im Feld werden. Die Programme der
Bundesländer zum Schutz von schönen oder seltenen Unkräutern fördern
ungewollt das Mutterkorn. Mit chemischen Pflanzenschutzmitteln kann
nicht bekämpft werden.

"Die neuen, ertragreichen Roggensorten sind oft anfälliger." gibt
Thomas Engelke zu bedenken. Die Pflanzenzüchter haben nicht auf diese
Krankheit geachtet. Aber das ändert sich zur Zeit.

Wichtig ist eine schnelle Befruchtung der Roggenblüten. Die Sporen
der Pilzkrankheit konkurrieren mit den Roggenpollen um den Platz auf
der Ähre. Sind mehr Pollen vorhanden, so ist die Krankheitswahrschein-
lichkeit wesentlich verringert. Auch das Wetter spielt natürlich eine
Rolle. Kälte und Nässe während der Blüte verhindert eine schnelle
Befruchtung und daher nimmt der Befall mit Mutterkorn zu.

Der Pilz, wissenschaftlicher Name ist Claviceps purpurea, überdauert
Trockenheit und Winter in dem dunkelpurpur, fast schwarzen Mutterkorn,
das häufig bei der Ernte ausgefallen ist oder mit den Saatgut ausgesät
wird. Im Mai wachsen die Pilzfäden bis zu sechs Zentimetern durch den
Boden und bilden kleine, nur Millimeter große Fruchtkörper, die wie
winzige Hutpilze aussehen. Das Mutterkorn gehört aber zu den
Schlauchpilzen, da in den Fruchtkörpern kleine schlauchförmige Gebilde
wachsen, aus denen die Sporen abgesondert werden. Diese werden mit dem
Wind auf die Roggenblüten getragen. Dort bilden sich nach wenigen Tagen
klebrige Tropfen, die von Insekten aufgenommen werden und in denen
ebenfalls Sporen sind. Die Krankheit kann daher mit dem Wind, aber
auch von Insekten verbreitet werden.

In der Biologischen Bundesanstalt sieht man die Züchtung von
widerstandsfähigen Sorten als beste Methode an; für den Landwirt
ist sie am einfachsten. Eines ist sicher, im nächsten Sommer wird
das Mutterkorn wieder auftreten.

Zu dieser Mitteilung existieren Bilder und AHO - Hintergrundberichte
im WWW.

Bild 1: Zwei große Mutterkörner an einer Roggenähre.

Bild 2: Im Frühjahr wachsen aus dem Mutterkorn Pilzfäden, die an
der Erdoberfläche Fruchtkörper mit Sporen bilden
.

Zwei AHO - Hintergrundberichte zum Thema Mycotoxine finden Sie hier:

Ein Problem von ungeahnter Tragweite: Mykotoxine

Mycotoxine: Ein geschichtlicher Überblick

 



 

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