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AHO Aktuell - 06.12.1999

Skandal um Genkartoffeln weitet sich aus


Endlich hat der schottische Gen-Experte Arpad Pusztai einen Teil seiner
umstrittenen Daten publiziert. Bereits vor anderthalb Jahren äußerte der
renommierte Forscher öffentlich, die Fütterung von gentechnisch veränderten
Kartoffeln sei für Ratten gesundheitsschädlich. Sein Arbeitgeber, das Rowett
Research Institut in Aberdeen, hatte seine Darstellung für haltlos erklärt
und Pusztai unehrenhaft entlassen.

von Ilka Schröder, Köln, EU.L.E.n-Spiegel, 5. Jahrgang, Nr. 8, 6.12.1999

Den umstrittenen Kartoffeln war ein Lektin aus Schneeglöckchen (Galanthus
nivalis) übertragen worden. Lektine sind Eiweiße, mit denen Pflanzen ihre
Fraßfeinde abwehren. Das für Säugetiere harmlose Schneeglöckchen-Lektin
wirkt speziell gegen Insekten und Fadenwürmer.
Gruppen von jeweils 6 Ratten fraßen entweder lektinhaltige Genkartoffeln,
normale Kartoffeln, denen das Lektin zugesetzt wurde, oder gewöhnliche
Kartoffeln. Die Versuchsreihe umfaßte sowohl rohe als auch gekochte
Kartoffeln. Anschließend wurde der Verdauungstrakt der Ratten untersucht
(Lancet 1999/354/S.1353-1354). Die Ergebnisse sind ziemlich diffus: Bei den
gekochten Kartoffeln kam es in Anwesenheit des Lektins zu einer
geringfügigen aber signifikanten Verdickung der Magenschleimhaut. Im
Dünndarm errechnete Pusztai eine signifikante Verlängerung der Zotten in
Gegenwart des Lektins von 75 µm auf 78 µm (Standardabweichung 19). Im
Blinddarm verlängerte die Zugabe von Lektin die Zotten von 95 µm auf 98 µm,
während die genmanipulierten Lektin-Kartoffeln die Zotten auf 70 µm verkürzt
haben sollen. Auch daraus errechnet Pusztai einen signifikanten Einfluß des
Lektins. Die Versuchsreihe mit den rohen Kartoffeln wurde nur noch teilweise
statistisch bearbeitet, wobei die Ergebnisse genauso uneinheitlich
ausfallen. Pusztai legt bei seiner Interpretation der Daten vor allem Wert
auf die Feststellung, nicht das Lektin habe die Darmzotten verändert,
sondern bisher unbekannte Nebenwirkungen der gentechnischen Manipulation.
Bei den kleinen Versuchsgruppen ist keines der Ergebnisse als gesichert zu
betrachten. Die Behauptung, daß vor allem die gentechnische Bearbeitung für
die Effekte verantwortlich ist, wird von der Statistik nicht gestützt - sie
ist noch weniger greifbar als der angebliche Einfluß des Lektins. Da eine
Versuchsgruppe fehlt, bei der nur der Vektor, d.h. das Transportsystem für
das fremde Gen, eingesetzt wurde, ist Pusztais Spekulation weder zu beweisen
noch zu widerlegen.

Es ist wenig erstaunlich, daß Pusztai die Lektin-Effekte auf den Magen, aber
nicht auf den Darm in den Vordergrund stellt: In einer älteren Arbeit hatte
er bereits die völlige Harmlosigkeit des Schnee-glöckchen-Lektins für den
Darmtrakt der Ratte gezeigt. Noch bemerkenswerter ist sein Ergebnis, daß
stattdessen das Lektin aus Weizenkeimen ziemlich schädlich für den
Verdauungstrakt ist. (British Journal of Nutrition 1993/70/S.313-321) Die
Kritik an der konfusen, unvollständigen und manchmal widersinnigen
Statistik verblaßt angesichts eines anderen, gravierenderen Problems:
Kartoffeln enthalten stets Glykoalkaloide wie Solanin, die den
Verdauungstrakt stark reizen können. Der New Scientist fand auf Pusztais
Internetseite den Hinweis, daß sich die verfütterten Kartoffeln deutlich in
ihrer Zusammensetzung unterschieden hatten - offenbar eine Folge der
unterschiedlichen Anbautechniken auf dem Feld bzw. der Gewinnungsmethoden im
Labor (New Scientist v. 16.10.1999/S.6-7). Da Tageslicht ebenso wie die
Lagerdauer zu erheblichen Schwankungen im Solaningehalt führen kann, ist
eine Kontrolle dieser Einflußgröße unverzichtbar. Zugleich fehlt die Angabe
der Zusammensetzung des Futters. Die einzige mitgeteilte Zahl, der
Proteingehalt, ist mit 6% so niedrig, daß man getrost von Mangelernährung
sprechen kann.

Fazit: Pusztais Publikation ist wissenschaftlich nahezu wertlos - sie
erlaubt keinerlei Rückschlüsse auf Risiko oder Harmlosigkeit der
untersuchten transgenen Kartoffeln. Klar ist nur, daß es sich um ein
peinliches Beispiel für unnötige Tierquälerei handelt.



 



 

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