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AHO Aktuell - 06.12.1999

Risikofaktor Pflanzenarzneimittel


(aho) Pflanzliche Arzneimittel (Phytotherapeutika) werden sowohl

in Human – als auch in der Veterinärmedizin immer beliebter. Dies
beruht nicht zuletzt auf der irrigen Annahme, daß "natürlich"
zwangsläufig "nebenwirkungsfrei" bedeutet. Somit ist es unumgänglich
nach den Risiken zu fragen, die diese Therapieformen mit sich
bringen kann. Prof. Edzard Ernst vom „Department of Complementary
Medicine School of Postgraduate Medicine and Health Sciences“ der
Universität Exeter, Großbritannien, zeigt in einer Veröffentlichung im
Deutschen Ärzteblatt an einzelnen Beispielen aus der Humanmedizin,
daß Phytotherapeutika erhebliche Nebenwirkungen und Risiken
aufweisen können.

Allergische Reaktionen

Allergien sind häufiger und verlaufen dramatischer, falls eine
Sensibilisierung voranging. Generell sind natürlich Injektionen
gefährlicher als orale Gaben. Dies trifft jedoch nicht immer zu. Ein
kürzlich publizierter Fall zeigt zum Beispiel, daß eine massive
allergische (anaphylaktische) Reaktion auch nach oraler Gabe
eines Echinacea- Präparates erfolgen kann. Pflanzen, mit hohem
allergenem Potential sind: Agnus castus, Angelika, Anis, Arnika,
Artischocke, Hopfen, Johanniskraut, Kamille, Knoblauch, Mutterkraut,
Pulsatilla, Rosmarin, Wachholder, Zimt.


Toxische Effekte

Die wohl häufigsten ernsten toxischen Effekte betreffen die Leber.
Hepatotoxizität ist belegt unter anderem für: Fenchelholz (beliebt bei
Rheuma), Beinwell, (als entzündungshemmendes Mittel verwendet),
Pennyroyal (als Karminativum empfohlen). Pflanzen, die
Aristolochiasäure enthalten, sind nephrotoxisch (nierenschädigend).
Verschiedene chinesische pflanzliche Mittel sind mit hepato- und
kardiotoxischen Reaktionen in Zusammenhang gebracht worden.

Ungewollte pharmakologische Effekte

Einige Pflanzen, wie Cimicifuga, Ginseng und Sägepalme besitzen
östrogene (hormonähnliche) Aktivität. Andere Pflanzen besitzen
gerinnungshemmende Wirkungen. Hierzu gehören Alfalfa, Angelika,
Anis, Arnika, Asafötida, Ginkgo biloba, Kamille, Knoblauch und
Mutterkraut.

Mutagene Effekte (das Erbgut verändernde Effekte)

Klassisches Beispiel für mutagene Effekte von Phytotherapeutika
sind Pflanzen der Spezies Aristolochia. In Belgien wurde aufgrund
einer Verwechslung in einem chinesischen "Abmagerungsmittel"
pflanzlichen Ursprungs Aristolochia fangchi verwendet, welches
bei zahlreichen Patienten zunächst zu nephrotoxischen
Erscheinungen führte, die in über 30 Fällen tödlich verliefen. Bei den
Überlebenden wurde in der Folge ein erhöhtes Krebsrisiko
beobachtet. Ähnliche Zwischenfälle sind auch aus Japan bekannt.
Für einige sogenannte "essentielle" Aromatherapie-Öle ist
Mutagenität belegt.

Arzneimittel-Wechselwirkungen

Dieser wenig erforschte Bereich ist äußerst komplex und potentiell
bedeutsam. Patienten, die pflanzliche Mittel einnehmen, sind oft
chronisch krank und nehmen daher häufig zusätzlich synthetische
Medikamente ein. Bei zwei Patienten, die Ginkgo biloba
einnahmen, kam es zu Gerinnungsstörungen und zu gefährlichen
Blutungen, da sie noch Antikoagulantien einnahmen. Ähnliche
Wechselwirkungen wurden für chinesische Phytotherapeutika
beschrieben. So kam es kürzlich bei der gleichzeitigen Einnahme
von Kava und Alprazolam zu einer Übersedierung bis hin zu
einem komatösen Zustand.

Kontaminationen

Vor allem asiatische Pflanzenpräparate, die vom "grauen Markt"
stammen, sind relativ häufig kontaminiert. Die Liste reicht von
Aluminium über Arsen, Cadmium, Blei, Quecksilber, Thallium bis
hin zu Zink. Sowohl Schwermetalle als auch potente Pharmaka,
zum Beispiel Digitalis, sind in Phytotherapeutika gefunden worden.
In einem groß angelegten Screening wurden 2 609 Proben
chinesischer Kräutermixturen gesammelt und analysiert. 24 Prozent
aller Proben waren belastet, zumeist mit hochwirksamen
synthetischen Wirkstoffen. Jüngst wurden in dermatologischen
Ambulanzen in London frei verkäufliche chinesische "pflanzliche"
Externa untersucht. In acht von elf Fällen wurde Dexametason
(Cortison) in hohen Konzentrationen nachgewiesen. Ayurvedische
Mittel enthalten häufig Schwermetalle. In dieser traditionellen i
ndischen Medizin wird angenommen, daß speziell vorbehandelte
Schwermetalle gesundheitsförderliche Effekte aufweisen.

Mißidentifikation (Verwechslungen)

Hier sind die oben bereits erwähnten belgischen Opfer eines
chinesischen Abmagerungsmittels aufzuführen. Weitere Beispiele
sind Yohimbin- und Ginseng-Präparate. Hier wurde das relativ
teure pflanzliche Rohmaterial durch billigere Stoffe ersetzt.


Professor Ernst fordert, daß jedes pflanzliche Arzneimittel auf der
Basis der jeweiligen Datenlage beurteilt werden sollte. Dort, wo
die Daten unvollständig sind, müssen die Lücken möglichst rasch
gefüllt werden. In der Medizin darf nicht mit zweierlei Maß
gemessen werden. Die Beweislast bezüglich der Unbedenklichkeit
liegt bei denjenigen, die für eine bestimmte Therapieform eintreten
und davon profitieren. Ärzte, Pharmazeuten und andere Heilberufe
tragen die Verantwortung, über die potentiellen Gefahren von
Phytopharmaka in sachlicher Form aufzuklären.

Quelle:
Ernst, Prof. Edzard; Phytotherapeutika: Wie harmlos sind sie wirklich?
Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 48, A-3107-3109, 1999

Anmerkung der AHO – Redaktion: Bei der Anwendung von
Phytotherapeutika bei lebensmittelliefernden Tieren muss zusätzlich
der Verbraucherschutz in gleicher Weise gewährleistet werden wie
bei der Verwendung synthetischer Arzneimittel.



 



 

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