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AHO Aktuell - 27.10.1999

Umwelt: Dioxin verliert seinen Schrecken

Muss das “Ultragift” neu bewertet werden?


(eule) Das “Ultragift TCDD" (Dioxin) bereitet den Wissenschaftlern
Kopfzerbrechen. Wie soll man eine Substanz bewerten, auf die sogar
verwandte Versuchstiere extrem unterschiedlich reagieren:
Meerschweinchen sind beispielsweise 2.500mal empfindlicher als
Hamster. Die Übertragung von Tierversuchen auf den Menschen
blieb daher stets spekulativ.

Die Internationale Krebsforschungsagentur IARC konnte sich erst 1997
dazu entschließen, TCDD (Dioxin) als krebserregend für den Menschen
einzustufen. Anlass für die Entscheidung war unter anderem die
Beobachtung, dass von über 5.000 Chemiearbeitern, deren TCDD -
Gehalte im Blut 300fach erhöht waren, 15% mehr als erwartet an Krebs
gestorben waren. Auch Jahre später lag die Krebssterblichkeit bei
ihnen durchschnittlich um 13% höher als bei der übrigen Bevölkerung.
Wer Spitzenbelastungen ausgesetzt war, dessen Risiko stieg sogar
um 25%. Die gleichzeitig erhobenen Daten für Herzinfarkt und Diabetes
sind unauffällig. Beim Diabetes kam es mit steigender Dioxinbelastung
sogar zu einer Abnahme.

Anmerkung: Betrachtet man die Statistiken genauer, nimmt die
Gesamtzahl aller Tumoren zwar deutlich (signifikant) zu, die Zunahme
kann jedoch nicht auf eine bestimmte Krebsart zurückgeführt
werden. Bisher musste in der Wissenschaft einer bestimmten
Substanz eine ganz bestimmte Krebsart zugeordnet werden,
um einen ursächlichen Zusammenhang herzustellen. Die wenigen
deutlichen (signifikanten) Zunahmen bestimmter Krebsarten können
das Gesamtergebnis nicht erklären. So trat in der belasteten Gruppe
11mal häufiger Krebs des Bindegewebes auf. Das Resultat verliert
allerdings an Brisanz, wenn man weiss, dass die Statistik nur auf drei
Fällen beruht. Die Zunahme von Blasenkrebs hat nach Angaben der
Autoren nichts mit dem Dio-xin zu tun, sondern ist auf die Chemikalie
„4-Aminobiphenyl“ am Arbeitsplatz zurückzuführen. Diese Substanz ist
dafür bekannt, dass sie Blasenkrebs hervorruft. Da sich insgesamt
die Sterblichkeit (Gesamtmortalität) der Chemiearbeiter nicht von
der restlichen Bevölkerung unterscheidet, trägt das Dioxin die
Bezeichnung “Ultragift” zu unrecht.

An objektivierbaren Gesundheitsschäden bleibt in erster Linie die
entstellende Chlorakne (schwere Hautveränderungen). Auch eine
Wirkung auf das zentrale Nervensystem, die sich in schweren
Depressionen äussern, ist wahrscheinlich. Bei Chemieunfällen wie
in Seveso sind jedoch nicht nur Dioxine entstanden: Die Wirkung
der den Dioxinen nahe verwandten „chlorierten Naphthaline“ ist
bisher kaum untersucht, weil sich die Fachwelt auf das TCDD
(Dioxin) konzentrierte.

Steenland K et al: Cancer, heart disease, and diabetes in workers
exposed to 2,3,7,8-Tetrachlorodibenzo-p-dioxin. Journal of the
National Cancer Institute 1999/91/S.779-786

 



 

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