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AHO Aktuell - 18.04.1997

BgVV fordert zu sorgsamem Umgang mit Tierarzneimitteln auf


Neben anderen Institutionen hat sich die Weltgesundheitsorganisation, WHO,
besorgt über die weltweite Entwicklung der Resistenzsituation gegenüber
Antibiotika geäußert. Zu den Faktoren, die die Ausbildung von Resistenzen
fördern, zählen in erster Linie die Überanwendung von Antibiotika in der
Humanmedizin, aber auch der Einsatz von Antibiotika bei Tieren und
Pflanzen wird als ergänzender Faktor diskutiert. Der Anteil der
Veterinärmedizin an der Resistenzentwicklung in der Medizin ist schwer
zu quantifizieren. Untersuchungen belegen aber einen ursächlichen
Zusammenhang zwischen Infektionen beim Menschen und resistenten Erregern
vom Tier. Bedeutende therapeutische Alternativen zu den heute eingesetzten
Antibiotika sind nicht in Sicht. Das Bundesinstitut für gesundheitlichen
Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, BgVV, fordert deshalb vorsorglich
zu einem zurückhaltenden und sorgsamen Umgang mit Tierarzneimitteln und
Futterzusatzstoffen auf.

In der Veterinärmedizin werden Antibiotika und antibiotisch wirksame
Substanzen nicht nur zur Therapie, sondern auch zur Prophylaxe eingesetzt.
In der Tierernährung dienen Futterzusatzstoffe außerdem der Wachstums-
förderung. Gerade diese Anwendungsform stand in der Vergangenheit im
Mittelpunkt der Kritik.

Im Hinblick auf eine mögliche Resistenzentwicklung hat das damalige
Bundesgesundheitsamt bereits 1974 das Verbot des Einsatzes von Tetra-
cyclinen als Futterzusatzstoffe in der Europäischen Gemeinschaft
durchgesetzt.

1985 konnte das BGA erstmals mikrobiologische Kriterien für eine
Beurteilung sogenannter Leistungsförderer verbindlich festschreiben.
Sie sind in die 1987 in Kraft getretene "Europäische Leitlinie zur
Beurteilung von Zusatzstoffen in der Tierernährung" eingegangen.
Danach müssen Wachstumsförderer vor der Zulassung auf ihr Resistenz-
potential untersucht werden. Auch nach der Zulassung wird die
Resistenzentwicklung beobachtet. Auf europäischer Ebene soll außerdem
ein Resistenzmonitoring für alle Leistungsförderer mit antimikrobieller
Wirkung durchgeführt werden. Substanzen, die vor Inkrafttreten der
Leitlinien auf dem Markt waren, werden innerhalb der Europäischen Union
ab 1998 nach den verschärften Kriterien überprüft. Zu diesen "Alt-
substanzen" gehörte das
Glykopeptidantibiotikum Avoparcin, dessen Anwendung auf Empfehlung des
BgVV durch den Bundesminister für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten
im Januar 1996 in Deutschland verboten wurde. Seit April 1997 gilt das
Verbot europaweit.

Nach Ansicht des BgVV ist der gesundheitliche Verbraucherschutz bei
Anwendung der europäischen Leitlinien sichergestellt.

Ebenfalls kritisch beurteilt das BgVV den weit verbreiteten routine-
mäßigen prophylaktischen Einsatz von Antibiotika im Bereich der
Tierhaltung. Insbesondere aus der Anwendung von Fütterungsarzneimitteln
in subtherapeutischen Dosen, wie dies z.B. bei der Eingliederung
zugekaufter Tiere in den Bestand praktiziert wird, resultiert die Gefahr
einer Resistenzselektion. Nach Ansicht des BgVV darf der prophylaktische
Einsatz von Tierarzneimitteln auch nicht dazu dienen, Hygienemängel zu
kompensieren.

Auch wenn grundsätzlich jeder Einsatz antimikrobiell wirksamer Substanzen
in der Human- wie in der Veterinärmedizin zu einer Selektion resistenter
Erreger führt, hat das Tier einen ethischen Anspruch auf Therapie durch
den behandelnden Tierarzt. Antimikrobiell wirksame Arzneimittel müssen
für die Behandlung der Tiere zur Verfügung stehen. Für den in die
Diskussion eingebrachten Vorschlag, bestimmte Antibiotika der Anwendung
in der Humanmedizin vorzubehalten, gibt es keine gesetzliche Grundlage.
Nach Ansicht des BgVV sollten sogenannte Reserveantibiotika der
Humanmedizin dennoch nur deutlich eingeschränkt als Tierarzneimittel
angewendet werden, weil die Wirksamkeit einiger der wertvollsten Arznei-
mittelgruppen in der Zukunft im Hinblick auf die Resistenzentwicklung nur
dann gewährleistet werden kann, wenn die Grundsätze einer rationalen
Anwendung antimikrobieller Substanzen allgemein berücksichtigt werden.

Im Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinär-
medizin wird die Resistenzentwicklung im veterinärmedizinischen Bereich
seit 1992 ständig beobachtet. Die Ergebnisse werden publiziert. Auf
kritische Entwicklungen wird hingewiesen. Bei bedenklichen Resistenz-
entwicklungen leitet das BgVV sogenannte
Stufenplanverfahren für zugelassene Tierarzneimittel ein. Ein solches
Verfahren läuft zur Zeit für Tetracycline.Maßnahmen können von
Warnhinweisen über Anwendungseinschränkungen bis hin zum Widerruf der
Zulassung reichen.

Darüber hinaus empfiehlt das BgVV für den Einsatz in der Veterinärmedizin
und Tierernährung u.a. (die):

strenge Anwendung der bestehenden Zulassungsrichtlinien für Futter-
mittelzusatzstoffe Verschreibung und Anwendung antimikrobiell
wirksamer Substanzen nur von Tierärzten bessere Resistenz-Monitoring-
systeme mit gezielter Information der Tierärzte

Aufnahme der Wachstumsförderer in das Resistenz-Monitoring

Definition von Bewertungskriterien für akzeptable und unakzeptable
Resistenzraten antibiotische Behandlung nur nach vorheriger exakter
Diagnostik und Sensitivitätsprüfung des Erregers Beschränkung der
Anwendung sowie der Anwendungsdauer von Antibiotika auf das notwendige
Minimum

Einsatz neuerer Antibiotika nur bei überzeugendem Nachweis eines
therapeutischen Vorteils oder in schweren Notfällen

Diversifikation und Rotation bei der Anwendung von Antibiotika im
Hinblick auf die Resistenzlage im Sinne einer "kalkulierten Chemotherapie"

prophylaktische Verabreichung von Antibiotika nur bei strenger Indikation
und nicht als Ersatz für erforderliche Hygienemaßnahmen

generelle Zurückhaltung bei der Verschreibung antimikrobieller Substanzen
für Massenbehandlungen Optimierung der Haltungs-und Hygieneverhältnisse
in der Tierhaltung

verstärkte Aufklärung der Tierhalter über die Leistungsfähigkeit von
Impfstoffen und Immunprophylaxeprogrammen

Aufklärung der Tierhalter über die Risiken des Einsatzes von Antibiotika

BgVV, 07/97, 14. April 1997
 



 

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