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AHO Aktuell - 18.02.1995

Antibiotika in der Tiermast fördert Entwicklung von Problemkeimen


Seit einigen Jahren mehren sich die Berichte aus dem In- und
Ausland über Infektionen mit Enterokokken, die gegen
Glykopeptid-Antibiotika nicht mehr empfindlich sind. Eine
Ursache für diese Entwicklung ist vermutlich der Einsatz von
Glykopeptiden in der Viehzucht, wo sie als Futterzusatz
eingesetzt werden, um die Gewichtszunahme der Tiere zu
beschleunigen.

Enterokokken sind immer Bestandteil der Darmflora. Unter
bestimmten Umständen können sie als Erreger von
Krankenhausinfektionen auftreten, besonders bei Patienten mit
geschwächter Immunabwehr und anderen schweren
Grundleiden oder unter Intensivbetreuung in der Notfallmedizin.
Bei diesen Patiernten machen Enterokokken etwa 12 % der
Erreger von septischen Allgemeininfektionen aus.

Noch vor 15 Jahren gab es bei der antibiotischen Behandlung
von Enterokokkeninfektionen keine Resistenzprobleme; es
wurde meist eine Kombination aus Ampicillin und einem
Aminoglykosid eingesetzt. Vor allem bei abwehrgeschwächten
Patienten hat jedoch eine Enterokokkenart (E. faecium) an
Bedeutung gewonnen, die zunehmend eine Resistenz gegen
Ampicillin entwickelt. In diesem Fall - oder wenn der Patient an
einer Penicillinallergie leidet -sind Glykopeptid-Antibiotika
normalerweise Mittel der Wahl. Immer häufiger auftretende
Glykopeptid-Resistenzen - zunächst in den USA und Frankreich,
heute weltweit - berauben die Medizin aber dieser wirksamen
Alternativwaffe.

Die Resistenz beruht auf der Übertragung von zusätzlichen
Genen für einen bestimmten Mechanismus, der die Zelle vor
den Glykopeptiden schützt. Tritt diese Resistenz zusätzlich zu
der gegen Ampicillin auf, ist die antibiotische Behandlung der
Enterokokken-Sepsis ernsthaft gefährdet, da solche
Erregerstämme oft sehr schnell auch gegen andere Antibiotika
der zweiten Wahl eine Resistenz entwickeln.
Enterokokkenstämme mit Resistenzen gegen Ampicillin,
Aminoglykoside und Glykopeptide sind echte Problemkeime, die
kaum noch therapeutische Möglichkeiten lassen. Aus den USA
und Kanada ist über Ausbrüche (lokale Epidemien) von
Krankenhausinfektionen mit glykopeptidresistenten
Enterokokken berichtet worden - auch mit Todesfällen.

In Deutschland sind solche Stämme bei Krankenhausinfektionen
noch selten. Das Auftreten der Glykopeptid-Resistenz erfordert
aber gezielte Untersuchungen zu den Reservoiren der
Resistenzgene und ihrer Verbreitungswege, um rechtzeitig
Maßnahmen gegen eine weitere Ausbreitung treffen zu können.
In Untersuchungen des Robert Koch-Institutes wurde
festgestellt, daß etwa 10 % der Probanden außerhalb der
Krankenhäuser glykopeptidresistente Enterokokken in der
Darmflora aufweisen; ebenso findet man diese Keime in Proben
aus städtischen Kläranlagen. Die Befunde waren Anlaß, nach
einem Reservoir außerhalb des Bereiches der Humanmedizin zu
suchen - bestimmte Vertreter der Glykopeptidantibiotika
werden nämlich auch als Wachstumsstimulatoren in der
Tierernährung eingesetzt.

Glykopeptidresistente Enterokokken wurden entsprechend
häufig bei Schweinen und Hühnern in Mastbetrieben gefunden,
die ein Glykopeptid als Futtermittelzusatz einsetzen.
Enterokokken, die von Legehennen (bei denen keine
Glykopeptide verwendet werden) oder von Wildschweinen im
Nationalpark Hochharz isoliert wurden, sind hingegen
durchgehend empfindlich gegen Glykopeptide.

Der Mensch nimmt glykopeptidresistente Enterokokken über
kontaminierte Nahrungsmittel auf (positiver Nachweis bei fünf
von 13 untersuchten Hackfleisch-Proben von 13 Herstellern
sowie im Auftauwasser von Hähnchen und Puten). In all diesen
Fällen wurde das gleiche Resistenzgen nachgewiesen, wie es
auch bei Enterokokken-Stämmen aus Infektionen beim
Menschen gefunden worden war.

Diese Ergebnisse legen nahe, daß die Anwendung von
Glykopeptid-Antibiotika als Futterzusatz in der Tierzucht ein
wesentliches Reservoir für die Glykopeptid-Resistenz schafft.
Für diese Antibiotika werden weitere Anwendungen bzw.
Neuzulassungen gegenwärtig geprüft. Das sollte Anlaß sein,
erneut darüber nachzudenken, ob der Einsatz von "künstlichen"
Futterzusatzstoffen nötig ist und welche Ersatzmöglichkeiten
es gibt.

Pressemitteilung des Robert Koch-Instituts
7.2.1995
 



 

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